Quintessenz
war. In den letzten fünfzehn Jahren hatte Picard Berichte von Will Riker gelesen, die ebenso umfangreich gewesen, aber auf eine Weise geschrieben waren, die Picard am ehesten als freundlich und gelassen bezeichnen würde. Der Captain war durch diesen Tonfall zuerst irritiert gewesen, aber er hatte sich daran gewöhnt. Sein bisheriger Erster Offizier – Gilaad Ben Zoma auf der Stargazer – war in seinen Berichten immer streng nach Vorschrift gegangen und hatte einfache, trockene Sätze verwendet. Rikers Berichte waren unterhaltsamer gewesen, als ob der Commander eine Geschichte erzählen würde. Worfs Berichte waren klingonisch – einsilbig, schroff – ein erfrischender Tempowechsel.
Plötzlich sprach der Computer. »Es ist siebzehn Uhr fünfundzwanzig.« Picard legte das Padd ab, erhob sich und zog seine Uniformjacke gerade. »Danke, Computer.« Es war Zeit für die Einsatzbesprechung.
Er verließ den Bereitschaftsraum und tauchte in das Meer so vieler unbekannter Gesichter ein. Am Steuer hatte Lieutenant Joanna Faur Sara Nave ersetzt, die während der Borg-Mission getötet worden war. Commander Miranda Kadohata saß anstelle des vertrauten bleichen Gesichts Datas an der Ops. Der Platz des Counselors war unbesetzt, aber selbst wenn seine Inhaberin anwesend war, handelte es sich um T’Lana und nicht um Deanna Troi. Hinter dem ebenfalls leeren Sessel des Ersten Offiziers stand Zelik Leybenzon schnurgerade an der taktischen Station, der aktuellste in einer Reihe von taktischen Offizieren, die auf der Enterprise-E gedient hatten, seit das Schiff vor acht Jahren vom Stapel gelaufen war.
Das bekannteste Gesicht auf der Brücke war Worf. Jean-Luc Picard war kein Mann, der zu Grübeleien neigte. Und doch fragte er sich, was die anderen Enterprise -Captains davon gehalten hätten, einen Klingonen an ihrem Steuer zu sehen. Einen Moment lang fragte sich der Captain, ob er langsam weich wurde.
Worf erhob sich. »Counselor T’Lana, Doktor Crusher und Commander La Forge wurden ausgerufen, Sir.«
»Lieutenant Faur, Sie haben die Brücke.«
Die dunkelhaarige Frau sagte: »Aye, Sir.«
Picard betrat die Beobachtungslounge, durchquerte eilig den Raum und bemerkte dabei kaum die Sterne, die bei hoher Warpgeschwindigkeit vorbeiflitzten. Während er seinen Platz am Kopfende einnahm, sah er zu der Wand mit den Modellen all jener Schiffe hinüber, die den Namen Enterprise getragen hatten, und überlegte, seit wann er sie nicht mehr bemerkt hatte. Wann hatte er aufgehört, zu bemerken, wie die Sterne aussahen? Wann hatte er damit aufgehört, über seine Schulter zu schauen, um nachzusehen, ob ihm seine Offiziere folgten? Und was genau hatte Beverly ihm heute Morgen in den Kaffee getan, dass er sich plötzlich so nostalgisch fühlte?
Und da war auch schon die Beklagte.
»Captain.« Beverly schenkte ihm ihr »professionelles Chefärztinnen-Lächeln«, während sie den Platz zu seiner Linken einnahm.
»Doktor.«
Worf setzte sich auf den Platz zur Rechten des Captains, mit Leybenzon neben sich. Beide Männer wirkten wie gespannte Sprungfedern. Er erwartete das von seinem Ersten Offizier, der trotz seiner vier Jahre im Diplomatischen Korps immer ein klingonischer Krieger bleiben würde.
Im Gegensatz dazu schien Miranda Kadohata recht entspannt zu sein, als sie ihren Platz neben Beverly einnahm. Der Commander hatte ihre zugegebenermaßen routinemäßigen Aufgaben in den letzten neun Tagen bewundernswert erfüllt. Aber andererseits hätte Data sie auch nicht ausgewählt, wenn sie seinen hohen Ansprüchen für leitende Offiziere nicht entsprochen hätte.
Die Türen öffneten sich und Geordi La Forge und T’Lana traten ein. Einfach gesagt, wusste Picard nicht so recht, wie er seinen neuen Counselor einschätzen sollte. Die kleine, auffallende Vulkanierin hatte die gesamte Borg-Mission damit zugebracht, eine andere Position als er einzunehmen. Natürlich waren T’Lanas Empfehlungen logisch und gut durchdacht. Es war ebenfalls wahr, dass Picards willentliche Umwandlung in Locutus noch großzügig als grenzenloser Irrsinn bezeichnet werden konnte; er hatte seine Menschlichkeit nur aufgrund von Beverlys mutiger Tat behalten.
Was dir Sorgen bereitet, flüsterte eine Stimme in seinem Hinterkopf, ist, dass sie dir nicht vollkommen vertraut. Dass sie es gewagt hat , deine Befehle zu hinterfragen. Schließlich vertraute ihm seine Mannschaft so vollständig, dass es, als sie in der Vergangenheit der Erde mit den Borg konfrontiert gewesen
Weitere Kostenlose Bücher