Quintessenzen
Spaß, etwas zu haben . Und erst recht macht es keinen Spaß, es zu behalten. Oder gar verteidigen zu müssen. Besitz wird sehr schnell anstrengend.
Geld nicht. Geld macht dich im Idealfall zur Herrin über deine Zeit. Im Normalfall ist es ein Mittel zum Zweck und der Zweck ist vollständig erreicht, wenn deine Grundbedürfnisse befriedigt sind. Ist dies gegeben, sei wachsam bei der Auswahl der Wünsche, die du dir darüber hinaus mit deinem Tauschmittel erfüllst. Prüfe sie auf Herz und Nieren, ob sie deinem Herzen entspringen oder dem Hirn eines Werbetexters. Als verblüffend hilfreich erweist sich hier oft die naive Frage: »Wer hat eigentlich am meisten davon, wenn ich mir diesen Wunsch erfülle?« … Ausprobieren. (Kostet nichts.)
PS : Das im Film Die Unbestechlichen von Watergate-Petze Deep Throat ausgegebene Motto »Follow the money« (das den Oldie »Cui bono« aus den Charts verdrängt hat) ist kein Wegweiser auf deinem Lebensweg, sollte aber sicherheitshalber auf der Innenseite deiner Hand stehen. Für den Fall, dass du im Konkreten, also bei den immer wiederkehrenden Zusatzaufgaben im Rahmen der Lebensprüfung ( → Sitzenblei ber ) mit deinem gesunden Gefühl und Verstand an Grenzen stößt und dich fragst, wieso Menschen und Menschengemeinschaften sich so überaus dämlich verhalten. Wieso sie Kriege führen, Bohrinseln lausig zusammenbauen, Hotels direkt an Tsunamistrände bauen, Krankheiten erfinden, Jobs machen, die sie nicht mögen, und mit Männern verheiratet sind, die sie erst recht nicht mögen: Willst du das begreifen, finde heraus, wer davon profitiert: Follow the money. (Und lach mich aus in 15 Jahren, wenn deine Generation endgültig das Sagen hat, mit dem heiteren Zusatz: »Das, Vater, galt früher als Schlüssel – aber dessen Bart ist längst ab.«)
Meide Experten
Blaise Pascal hat die schöne Quintessenz formuliert, der Mensch sei »groß in der Erkenntnis seiner eigenen Nichtigkeit«, deshalb hüte dich vor dem geistigen Mittelstand. Das sind die paar Prozent Menschen, die nicht entweder weise und/oder einfach und ehrlich sind – also höchstens 92 von 100.
Du erkennst Vertreter des geistigen Mittelstands auf den spätestens zweiten Blick, und zwar daran, dass sie alles ziemlich genau wissen und irgendwas ganz genau. Die meisten sind auf einem Gebiet »Experten«, ob nun für Steuerrecht, Gesundheit oder Kindererziehung oder was auch immer. Was ihr Fachgebiet betrifft, macht man ihnen nichts vor. Da wissen sie Bescheid.
Aus diesem Grundwissen gewinnen sie seltsamerweise die Überzeugung, alles, was sie nicht so genau wissen, wäre entweder nicht so wichtig oder lasse sich mit ihrem Expertenwissen gleich miterklären, jedenfalls immerhin so weit, dass keine wirklich wesentlichen Unsicherheiten bleiben. Auch die Zusammenhänge im Kosmos oder im Verhalten von Menschen, Tieren und Staatsgebilden gehorchen ja im Großen und Ganzen den gleichen Gesetzen wie eine Steuererklärung oder ein Zweijähriger mit Blähungen.
Geistige Mittelständler sind in allen Farben, Formen und Gehaltsklassen erhältlich, sind aber umso anstrengender, je mehr materiellen Erfolg sie im Leben hatten. Denn da sie wissen, dass Erfolg einem recht gibt, haben sie sehr viel recht. Arme geistige Mittelständler hingegen fühlen sich existenziell bedroht, sobald ihnen ein erkennbar nachdenklicherer Mensch über den Weg läuft und sind daher ebenfalls eine rechte Plage.
Ein Teil der geistigen Mittelschichtler verfügt neben dem Expertenwissen über eine rudimentäre Art Allgemeinbildung, die allerdings meist nur angehäuft wird, um Themen rasch abhaken zu können oder gerüstet zu sein, falls Günther J auch anruft.
Bist du nun auch auf den zweiten Blick unsicher, ob jemand dem geistigen Mittelstand angehört, bietet sich ein unauffälliger Test im Small-Talk-Rahmen an, mit dem du die Grenzen deines Gegenübers rasch bestimmen kannst. Sprich einfach einen Sachverhalt an, der komplexer ist, als es auf den ersten Blick scheint, am besten eine Frage, auf die weise Menschen ebenso wie ehrlich Einfache tatsächlich keine Antwort haben. Beispiele?
Warum werden Menschen krank – und andere nicht? War um ist es nachts dunkel, obwohl doch unendlich viele Sonnen am Himmel stehen? Warum weiß mein Hund, dass ich gleich nach Hause komme? Warum weiß eine Mutter in Hildesheim, wenn es ihrem Kind in Tokio schlecht geht (ohne zu telefonieren)? Warum fallen wir nicht von der Erde ins Weltall bzw. warum werden wir nicht
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