Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
Vom Netzwerk:
Cañizares zugestoßen war, während er den Strick, die Sesamsamen, den Kupferstich, in dem sie eingepackt waren, und den Zettel mit dem geheimnisvollen Wort Quipu vom Tisch holte.
    »O Gott!«, entfuhr es da Álvaro de Fonseca. »Sie sind mir auf die Spur gekommen. Der Mörder wollte von deinem Vater mein Versteck erfahren!« Er deutete auf den Zettel. »Quipu bedeutet ›Knoten‹, es ist ein Wort aus dem Quechua, der Sprache der Indios in Peru.«
    Verwirrt zeigte Sebastián Álvaro den Strick, mit dem sein Vater erwürgt worden war.
    »Meinen Sie so einen Knoten?«
    »Ich habe in meinem Leben nur ein einziges Quipu gesehen, als ich vor vielen Jahren in Lima war, und das sah ganz anders aus. Nach allem, was du mir über Cañizares erzählt hast, scheint jedenfalls klar zu sein, dass der Knebel und die hervorspringenden Augen denen als Warnung dienen sollen, die zu viel über jenen geheimen Ort reden, den man ›Das Auge des Inkas‹ nennt.«
    »Und der Mord an meinem Vater?«
    »Die abgehackte Hand deutet darauf hin, dass es eine grausame Strafe für denjenigen sein soll, der die Geheimnisse niederschreibt, die zum Schatz führen. Aber ich glaube, dass noch mehr dahintersteckt   …«, Álvaro machte eine nachdenkliche Pause, »nämlich die Anschuldigung, mit der Gesellschaft Jesu in Verbindung zu stehen. Denk an den bekannten Ausspruch: ›Versuche einen Jesuiten zu hängen, und er wird dir mit dem Seil entkommen.‹«
    »Verflucht sei der Jesuitenwitz.«
    »Das musst du gerade dem sagen, auf den er gemünzt ist.«
    |39| »Das verstehe ich nicht.«
    »Juans Mörder weiß, dass ich mich in Madrid versteckt halte, nur nicht, wo. Deshalb lautet seine Botschaft: ›Zeig uns dein Versteck, Jesuit.‹ Die Sesamkörner spielen auf das ›Sesam, öffne dich‹ an, und der Jesuit ergibt sich aus dem Kupferstich, aus dem das Säckchen gefertigt wurde. Der Druck stammt aus Lima und hing in meinem Arbeitszimmer im Archiv des
Colegio Imperial

    »Und wer ist er?«
    In diesem Augenblick war an der Tür ein lautes Poltern zu hören.
    »Was war das?«, wisperte Álvaro erschrocken.
    »Es kommt vom Flur. Um Himmels willen, Onkel, verstecken Sie sich.«

|40| Die Brosche
    D as Fenster im Flur stand weit offen, und die Flügel klapperten heftig im Wind. Als Sebastián auf die Seitengasse hinausblickte, sah er im Schein der Straßenlaterne jedoch nur noch einen Schatten mit einem eigentümlichen grünen Cape davonrennen. Ohne lange zu überlegen, sprang er aus dem Fenster, um ihm nachzueilen, doch der Fliehende hatte bereits den Platz erreicht und war in der noch immer feiernden Menschenmenge untergetaucht.
    Bedrückt wollte der Ingenieur sich schon wieder auf den Fenstersims schwingen, als er plötzlich etwas auf dem Boden glitzern sah. Er bückte sich und hob es auf: Der Mörder musste die silberne Brosche bei seiner überstürzten Flucht verloren haben.
    Zurück im roten Salon, verriegelte Sebastián sorgsam die Tür, bevor er erst zweimal und dann einmal an die Falltür klopfte.
    »Er ist mir entwischt«, knurrte er, als Álvaro de Fonseca mit ängstlichem Blick die Stufen heraufkam. »Aber ich habe ein Schmuckstück gefunden, mit dem wir dem Mörder meines Vaters vielleicht auf die Spur kommen.«
    »Reich mir die Lupe aus der Schublade zu deiner Rechten«, bat der Onkel und ließ sich dann mit einem Seufzer am Sekretär seines Bruders nieder, wo er sich über die Brosche beugte. Nach einer Weile hob er den Kopf.
    »Kein Zweifel, sie ist aus Lima: Der Stempel des Silberschmieds belegt es.«
    Sebastián begann im Zimmer auf und ab zu laufen.
    »Wer immer auch dahintersteckt: Jetzt ist er sich jedenfalls |41| sicher, wo Sie sich versteckt halten. Und wie wir gesehen haben, schreckt er vor nichts zurück. Allein die Kaltblütigkeit zu besitzen, sich nach dem Mord noch im Haus zu verstecken   …«
    Er überlegte kurz und ging dann zu dem Schrank neben der Tür. Mit einem langen Umhang und einem breitkrempigen Hut kehrte er zu seinem Onkel zurück.
    »Packen Sie das Wichtigste zusammen.«
    »Aber wo soll ich hin?«, fragte Álvaro de Fonseca verzweifelt und sah zu ihm auf.
    »Ich bringe Sie in unseren ehemaligen Seilspeicher am Ufer des Manzanares. Dort sind Sie sicher.«
    »Ich soll auf die Straße gehen?!«
    »Es ist Karneval«, versuchte Sebastián ihn zu beruhigen. »Kein Mensch wird Sie erkennen.«
    Álvaro de Fonseca schwieg. Er schien nachzudenken. Sebastián ließ ihm Zeit. Sicher war es für den alten Mann nicht leicht,

Weitere Kostenlose Bücher