Quipu
Sebastián verblüfft. »So ein Schiff kam auch in dem Theaterstück vor!«
»Eine weitere Legende. Das Schwarze Schiff wird immer mit uns Jesuiten in Verbindung gebracht, aber vermutlich hat es unzählige Geheimmissionen erfüllt, die man dann uns zuschrieb, wenn es den Herrschern in den Kram passte. Aber etwas stimmt schon: Mit diesem Schiff kehrte einer unserer Vorfahren von Peru nach Spanien zurück: Cristóbal de Fonseca, der Jesuit, der Diego de Acuña das Quechua beigebracht hatte.«
»Und mein Vater wusste davon?«
»Selbstverständlich. Und er war überzeugt, dass das Schiff das weitere Schicksal unserer Familie entscheidend prägte. Daher war er auch so interessiert an dieser Chronik.«
|47| »Dann ist dieser Knoten in unserem Wappen also eine Art Zeichen?«
Álvaro zögerte, bevor er antwortete. Und als er es schließlich tat, war die Vorsicht, mit der er seine Worte wählte, deutlich zu spüren.
»Nun, ich weiß nicht … ein Zeichen wofür? Und für wen? … Unsere Familie hat nie brüllende Löwen und geköpfte Mauren im Wappen geführt. Man kann in dem Knoten auch etwas ganz Simples sehen: den Handel unserer Familie mit den Seilen. Wir waren lange Zeit die Hauptlieferanten für die Schiffstaue der Königlichen Armada. Gut die Hälfte ihres Tauwerks stammt aus unseren Seilereien.«
»Und dieses Geschäft wollen sich andere gern unter den Nagel reißen … Wie zum Beispiel der Marqués de Montilla.«
»Wen meinst du? Den Vater oder den Sohn?«
»Beide«, erwiderte Sebastián.
»Jetzt, wo du es sagst, fällt mir ein, dass der Vater am heftigsten darum gekämpft hat, dass uns der Adelstitel entzogen wird. Er reichte ein Gesuch nach dem anderen ein, in denen er behauptete, wir würden uns der Krone gegenüber nicht loyal verhalten. Ein paar Leute hielten ihn sogar für den Drahtzieher des Kutschenunfalls, der deine Mutter das Leben kostete und deinen Vater zum Krüppel machte. Aber man konnte ihm nichts nachweisen …«
»Ich habe mich gerade mit seinem Sohn duelliert.«
Der Jesuit machte ein erschrockenes Gesicht. »Wie kamst du denn auf diese Dummheit?«
»Es ließ sich nicht vermeiden. Er hat mich und meine Dame in aller Öffentlichkeit beleidigt.«
Álvaro schwieg und hing eine Weile seinen düsteren Gedanken nach.
»Hast du schon angefangen, die Chronik zu lesen?«, fragte er schließlich.
»Ich bin noch nicht allzu weit gekommen«, gestand Sebastián. »Sie ist voller Abkürzungen, und die Schrift dieses Diego de Acuña ist fast nicht zu entziffern.«
|48| »Die Notizen deines Vaters werden dir helfen. Er hat unzählige Nachforschungen angestellt, um den Text zu entschlüsseln.«
»Vieles erschließt sich mir einfach nicht. Vielleicht, weil das alles so lange her ist. Peru vor zweihundert Jahren! Warum ist diese Handschrift eigentlich so bedeutsam?«
»Das habe ich dir doch bereits gesagt. Ihr Verfasser war Schreiber und Dolmetscher während des Feldzugs der Spanier 1572, der zur Einnahme von Vilcabamba, des letzten Bollwerks der Inkas, führte. Er muss gewusst haben, wo sie ihre Schätze verstecken.«
»Und den Weg dorthin gab er in seiner Chronik preis?«
»Das glaubte zumindest dein Vater. Juan hatte nur noch nicht entdeckt, wie Acuña dies tat. Aber immerhin hat er herausgefunden, dass der Schlüssel zu diesem Geheimnis in diesen Quipus zu suchen war, diesen Schnüren und Knoten, die die Inkas statt einer Schrift verwendeten.«
»Und niemand konnte diese Quipus je entschlüsseln?«
»Nein, das wüsste ich, denn das war eines der großen Ziele der Gesellschaft Jesu. Schon lange haben die Jesuiten dieses Rätsel zu lösen versucht und sämtliche Archive nach ihnen durchforstet.«
»Dann dürfte es doch nicht so schwer sein, wenn man diese Spuren verfolgt.«
»Da irrst du dich leider. Ende des sechzehnten Jahrhunderts erklärte das Dritte Konzil von Lima die Quipus zu Götzen und ließ sie alle verbrennen. Falls dennoch ein paar gerettet wurden, ist das reiner Zufall. Deshalb sind sie heute auch so wertvoll.«
»Sie haben gesagt, Sie hätten in Lima schon mal eines dieser Quipus gesehen. Wie sieht so eine Knotenschnur aus?«
»Eingerollt konnte man so eine Knotenschnur für ein luftiges Gewebe halten, das durch nichts die Aufmerksamkeit auf sich zog. Wenn man es aber ausbreitete, verwandelte es sich in eine zwei Fuß lange Hauptschnur, an die Dutzende dünnere, etwas über eine Handspanne lange, geknotete Nebenfäden unterschiedlicher Dicke und Farbe geknüpft
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