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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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für sie richten lassen wollte.
    In der Zwischenzeit besichtigten Sebastián und Umina die alte Inkafestung.
    »Glaubst du, Sírax ist diese Inkaprinzessin aus Sinchis Geschichte?«
    »Ohne Zweifel.«
    »Warum bist du dir da so sicher?«
    »Wegen dem, was ich in Qenqo Grande gesehen habe.«
    »Und was war das?«
    »Ich habe versucht, mich in sie hineinzuversetzen   …«
    »In Sírax?«
    »Ja. Aber ich konnte nur ein paar Dinge erahnen. Ihr Mut erstaunt mich jedenfalls stets aufs Neue. In Qenqo hat sie ihren Weg begonnen. Danach ist sie wohl auf dem Weg zu diesem ›Nest des Kondors‹ hier durchgekommen. Was damals dort passierte, muss für die Leute von großer Bedeutung gewesen sein, wenn es zur |405| Legende wurde und in den Stoffen erhalten blieb, die die Frauen noch immer weben. Ich vermute, das war auch Sírax’ Absicht.«
    »Ihre Absicht?«
    »Ja. Ich glaube, sie hat einen Weg hinterlassen, der nur dann nachverfolgt werden kann,wenn die Menschen,die an dieser Strecke wohnen,sich die Erinnerung an die Vergangenheit bewahren.«
    In diesem Moment schreckte sie eine laute Stimme auf.
    »Was machen Sie hier?«
    Als sie sich umwandten, erblickten sie einen kleinen, untersetzten Mann mit auffällig starken Backenkochen.
    »Wer sind Sie?«, fragte Sebastián zurück.
    »Der Dorfpfarrer«, erwiderte er. »Was machen ein Mann und eine Frau um diese Uhrzeit hier alleine? Und Sie sind zudem Spanier, wie ich an Ihrem Akzent höre. Ein Spanier, der sich wie ein Indio kleidet. Woher kommen Sie?«
    Sebastián war nahe daran, ihn unwirsch anzufahren, doch Umina drückte seine Hand, damit er sich beherrschte.
    »Aus Yucay«, antwortete die junge Frau.
    »Und wo wohnen Sie?«
    »Im Haus von Sinchi.«
    »Beim
quipucamayo
also. Das bestätigt meinen Verdacht. Warum sonst begrüßen Sie nicht wie gute Christen den Pfarrer.«
    Zu diesem Zeitpunkt war Umina und Sebastián bereits klar geworden, dass der Pfarrer reichlich betrunken war.
    »Sie suchen hier bestimmt nach einem Schatz«, fuhr er fort, »und wollen ihn nicht mit diesem armen Diener des Herrn teilen. Aber seien Sie vorsichtig. Die Indios hier sind äußerst kriegerisch und sehr abergläubisch trotz meiner Bemühungen, ihnen den rechten Weg zu weisen. Wenn Sie in den Ruinen herumschnüffeln, werden Sie Schwierigkeiten bekommen. Wenn Sie in Yucay waren, haben Sie im alten Palast von Huayna Cápac bestimmt den Indio mit dem Hammer gesehen.«
    Umina und Sebastián blickten sich an, entgegneten jedoch nichts, was den Pfarrer indes nicht davon abhielt, seinen Sermon fortzusetzen.
    |406| »Ich sehe schon, ich habe recht.« Er lachte sarkastisch auf. »Er ist über hundert Jahre alt und nicht getauft worden. Er bringt immer noch Opfer an den
huacas
dar. Der Alte zieht hier im Tal umher. Und eines sage ich Ihnen: Er achtet ganz genau darauf, was Sie tun. Ich bin mir sicher, er weiß ganz genau, wo diese verfluchten Schätze versteckt sind, die die Inkas hier vergraben haben, und wacht über sie, damit niemand sie sich holt.« Er beugte sich schwankend zu Sebastián und blies ihm seinen Schnapsatem ins Gesicht. »Wenn Sie diese Schätze suchen, dann brauchen Sie mich. Ich kenne die Gegend gut, ich werde Ihnen die Stellen zeigen, wo Sie graben müssen. Aber nur, wenn Sie die Reichtümer mit mir teilen. Sie fragen sich sicher, warum ich sie nicht selbst hebe. Es würde keinen guten Eindruck machen, wenn ich hier mit Esel, Hacke und Schaufel loszöge«, sagte er lachend. »Aber nichts hindert mich daran, Spenden entgegenzunehmen.«
    Sebastián lehnte mit einer Handbewegung ab, doch da begann der Pfarrer zu brüllen: »Geben Sie mir wenigstens etwas zu trinken!«
    Der Ingenieur versuchte, ihn abzuschütteln. Der Pfarrer wich zurück, berechnete den Schritt falsch, stolperte und kullerte den Abhang hinunter. Als er sich unten wieder aufgerichtet hatte, stieß er wüste Drohungen aus. Und er sah ganz danach aus, als würde er sie wahr machen.

|407| Cuntur Guachana
    D ie Sonne war bereits aufgegangen, als sie von einem lauten Klopfen geweckt wurden. Sinchi ging die Tür öffnen. »Was ist passiert?«, fragte Umina besorgt, als sie den Sohn von Yarpay, dem Verwalter der Ländereien im Urubamba-Tal, erblickte.
    Ein aufgeregter Wortschwall prasselte auf sie nieder, bis dem Jungen die Stimme versagte und er in Tränen ausbrach.
    Die Mestizin war erschüttert, doch versuchte sie, ihre Wut zu unterdrücken, um für Sebastián die Ereignisse zusammenfassen zu können.
    »Carvajal   … Er

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