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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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deswegen suchen sie mich. Und wenn sie erfahren, dass ich mit dir darüber gesprochen habe, werden sie auch hinter dir her sein. Überleg es dir also gut, bevor du mit dem Ganzen hier weitermachst   …«
    »Das muss ich mir nicht überlegen: Ich kann nicht ungesühnt lassen, was meinem Vater angetan wurde.«
    »Das verstehe ich.«
    Álvaro de Fonseca zögerte einen Augenblick. Inwieweit galt für ihn noch die Schweigepflicht, jetzt, da die Gesellschaft Jesu aufgelöst war? Doch wenn er die Sache vor Sebastián geheim hielt, hätte ihr Widersacher leichtes Spiel. Und tat er es jetzt nicht, wer weiß, ob sich noch einmal die Gelegenheit bot, ihm von den traurigen Ereignissen zu berichten.

|52| Der Plan des Inkas
    U nd so geschah es, dass Álvaro de Fonseca seinem Neffen schilderte, was sich dreizehn Jahre zuvor, im Frühjahr 1767, zugetragen hatte, als bewaffnete Streitkräfte in den frühen Morgenstunden das
Colegio Imperial
in Madrid umstellten, sämtliche Güter der Jesuiten beschlagnahmten und die Patres gefangen setzten.
    »Wie wir später erfuhren, war alles vom Grafen von Aranda genauestens geplant worden, insbesondere die Besetzung unseres Collegiums, eines der Herzstücke unseres Ordens. Als wir sie einließen, postierte der Alkalde als Erstes eine doppelte Wache auf dem Turm, damit niemand mit den Glocken Alarm schlagen konnte, und ließ dann alle Ausgänge besetzen, sodass jeglicher Kontakt zur Außenwelt unterbunden war. Danach wies er den Rektor des Collegiums an, uns zu wecken und im Kapitelsaal zu versammeln, wo er dann das Vertreibungsdekret verlas. Unmittelbar darauf führten die Soldaten die Patres zu den bereitstehenden Kutschen, die sie zum nächstgelegenen Hafen bringen sollten. Meine Brüder durften nichts als ihr Brevier mitnehmen, stell dir das mal vor!«
    »Gab es denn keinen Protest dagegen?«
    »Widerstand wurde mit der Todesstrafe geahndet. Zudem gehört zu unseren Ordensregeln, jeglichem Befehl widerspruchslos zu gehorchen, ›Marthas Schicksal zu akzeptieren‹, wie es bei uns heißt.«
    »Und wie sind Sie diesem Schicksal entkommen?«
    »Anfangs war das gar nicht meine Absicht, glaub mir. Nachdem |53| man zunächst die wichtigsten Ordensmitglieder des Landes verwiesen hatte, um einen Aufstand zu vermeiden, musste das Collegium geräumt und unser Besitz gesichtet werden. Und dazu brauchten sie Helfer. Ich als Archivar war einer davon. Mein Archiv wurde aufs Gründlichste durchsucht. Als sie dort meinen Kupferstich fanden, wurde ihre Haltung mir gegenüber äußerst hart und feindselig.«
    »Welchen Kupferstich?«
    »Der Druck, den man als mit Sesam gefülltes Säckchen deinem Vater um den Hals hängte. Deshalb habe ich auch gleich verstanden, auf wen die Botschaft gemünzt war.«
    Sebastián zog das papierene Säckchen unter seinem Wams hervor. Er schauderte, als er daran dachte, wo er es gefunden hatte.
    »Hier ist es. Woher wissen Sie, dass es genau dieser Kupferstich ist? Es könnte doch auch ein anderer Abzug sein.«
    »Ich habe ihn in Lima vom Archivar des dortigen Jesuitenkollegs geschenkt bekommen. Der Druck hat einen kleinen Fehler, der sich nur bei dieser Kopie findet.« Der Jesuit hielt einen Moment bedrückt inne, bevor er fortfuhr: »Der Stich stammt aus dem siebzehnten Jahrhundert und hing in der Kirche der Gesellschaft Jesu in Cuzco. Es ist eine Art Allegorie. Innerhalb des Ordens kennt man ihn unter dem Namen ›Perus christliche Monarchie‹. Oder auch ›Der Plan des Inkas‹.«
    »Der Plan des Inkas?«
    »Du wirst gleich sehen, weshalb.« Álvaro knüpfte das Säckchen auf, schüttete den Sesam in sein Taschentuch und strich den Druck vorsichtig glatt. »Schau, wenn du genau hinsiehst, entdeckst du darauf zwei Jesuiten, links den heiligen Ignatius von Loyola und rechts den heiligen Franz von Borja.«
    »Das heißt, den Gründer des Jesuitenordens und einen seiner Ordensgeneräle. Und warum sind im Hintergrund so viele Indios zu sehen?«
    »Dort werden zwei Hochzeiten gefeiert. Zum einen die von Martín García de Loyola, dem Großneffen des heiligen Ignatius, und der Nichte des letzten Inkaherrschers Túpac Amaru, zum |54| anderen die zwischen der aus dieser ersten Ehe hervorgegangenen Tochter und einem Enkel des heiligen Franz von Borja. Martín García de Loyola bekam die Nichte im Übrigen als Belohnung für Túpac Amarus Ergreifung 1572 zugesprochen. Eine Kriegsbeute.«
    »Das heißt, in gewisser Weise kreuzt sich hier die Familie der Inkas mit den Familien der

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