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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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aber, wie ihm geheißen. Nachdem er das Seil von oben bis unten berochen hatte, schüttelte er den Kopf.
    »Ich rieche nichts.«
    »So ist es.« Paco nickte. »Ein Seil wie dieses hier wird für gewöhnlich geteert, um es vor Feuchtigkeit zu schützen. Dabei verkohlen die Fasern. Manche benutzen daher Kaltteer, aber das ist hier auch nicht der Fall.« Paco musste die Verwirrung in seinen Augen bemerkt haben, denn nun setzte er sein Taschenmesser an. »Dennoch wurde dieser Strick imprägniert. Sehen Sie, Señor, die Klinge rutscht ab, wenn man ihn durchzuschneiden versucht.«
    Das wusste Sebastián nur zu gut, hatte er doch eine Ewigkeit gebraucht, bis er in jener fürchterlichen Nacht seinen toten Vater von diesem Strick befreit hatte. Dabei hatte ihn der Schmerz über den Verlust immer wieder übermannt. Als er jetzt daran dachte, lief ihm erneut ein Kälteschauder über den Rücken.
    Geschickt hatte der Seiler derweil eine Faser aus dem Strick herausgedreht und ließ sie Sebastián befühlen.
    |60| »Das ist Wachs«, erklärte er nun. »Dieses Seil ist so schwer zu durchtrennen, weil es gewachst ist. Das ist neu.«
    »Wie, neu?«
    »Hier in Spanien ist dieses Verfahren noch unbekannt. Nur die Marine von Malta verwendet es bisher für ihr Tauwerk. Und wir probieren es gerade aus, aber noch ist ungewiss, ob es uns gelingt, es ist unser erster Posten. Ich habe ein wenig Sorge, dass das Wachs die Ratten anlockt.«
    »Das heißt, außer uns stellt niemand diese Seile her?   … Und wer weiß alles davon?«
    »Freund und Feind. Wir mussten ja vor aller Augen die Widerstandsfähigkeit prüfen und haben die Ergebnisse auch bei der Werftbehörde von La Carraca, in der Nähe von Cádiz, eintragen lassen. Die Taue und Seile in der Takelage eines Schiffes müssen äußerst robust sein. Und dieser Strick gehört zum Besten, was es gibt: Er ist erst gerissen, als man vierzig spanische Zentner und zwei Arroben darangehängt hat.«
    »Legte man ihn also einem Sachverständigen vor, würde alles auf die Manufaktur der Fonsecas hindeuten?«
    Paco nickte bedrückt. »Ich selbst habe Ihrem seligen Herrn Vater die Seile erst vor ein paar Tagen gebracht. Wir könnten den Auftrag für eine Lieferung an die Armada bekommen, die ein neues Schiff auftakeln will. Ohne ausreichendes Kapital wird das allerdings schwer werden   …«
    Sebastián sah ihn einen Augenblick überrascht an, lenkte seine Aufmerksamkeit dann aber wieder auf das Seil.
    »Und was kannst du mir zu dem Knoten sagen?«, wollte er wissen.
    Schweigend folgte Paco mit der Messerspitze dem Lauf der Schlingen, zog hier an und lockerte dort. Schließlich schüttelte er den Kopf.
    »Ich blicke nicht so ganz durch, wie er genau gemacht worden ist. Jedenfalls muss jemand äußerst Geschicktes am Werk gewesen sein,so kompliziert,wie er geschlungen ist   … Ich wage zu behaupten, nur der, der ihn erfunden hat, kann das so hinbekommen.«
    |61| »Woran siehst du das?«
    »Knoten tragen immer die Handschrift desjenigen, der sie gemacht hat. Man sieht, ob sie von oben nach unten, von links nach rechts oder umgekehrt geknüpft wurden. Und Knoten, mit denen man jemanden erdrosseln kann, sind rar, es gibt höchstens ein Dutzend davon.« Paco fuhr mit der Klinge die erste Schlinge nach. »Unserer ist bis hierher regelmäßig. Dann windet er sich aber hier herum   … und so kann man hier fest zuziehen   … Das ist wirklich gut durchdacht.«
    »Und was schließt du daraus?«, drängte Sebastián.
    »So einen Knoten habe ich noch nie gesehen. Das ist kein Seemannsknoten, auch keiner von einem Viehzüchter und Fischer oder sonst einem mir bekannten Gewerbe   … Höchstens noch einer von einem Weber   …« Er räusperte sich. »Jedenfalls ist es eine Abwandlung des Blutknotens, eine mit vier Schlaufen.«
    »Des Blutknotens?«
    »Der beste Knoten, den es gibt, um zwei Stricke unauffällig miteinander zu verbinden. Nur ganz wenige Seeleute beherrschen ihn. Und die geben ihr Wissen höchstens im Tausch gegen einen genauso außergewöhnlichen Knoten weiter.«
    Und dann erklärte Paco, der selbst viele Jahre zur See gefahren war, dass, wenn es auf den langen Überfahrten etwas im Überfluss gebe, das Zeit und jede Menge Tauwerk seien. Was liege da näher, als neue Knoten zu erfinden? Zumal niemand so sehr auf gute Knoten angewiesen sei wie die Matrosen. Das eigene Leben, wenn nicht gar das Schicksal einer ganzen Schiffsbesatzung könne davon abhängen, ob man gute oder schlechte Knoten

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