Quipu
beiden heiligen Jesuiten.«
»So ist es. Und noch eins ist wichtig zu wissen: Die Nachfahren aus diesen beiden Verbindungen sind die direkten Erben des königlichen Inkageschlechts und werden als solche auch von der spanischen Krone anerkannt.«
»Jetzt verstehe ich, warum dieser Stich ›Der Plan des Inkas‹ genannt wird!«
»Der Plan des Inkas, aber auch der Plan der Gesellschaft Jesu, wie böse Zungen behaupten: Man hat den Jesuiten nachgesagt, dass dieser Stich ihr Bestreben versinnbildliche, sich zunächst des Inkathrons und langfristig dann ganz Südamerikas zu bemächtigen. Darauf hat dein Vater in dem Theaterstück angespielt, in Anlehnung an den Knoten des Phrygerkönigs Gordios: Der, der ihn lösen könne, solle die Herrschaft über ganz Asien erhalten.«
»Davon war in dem Stück aber gar nicht die Rede.«
»Nach dem Mord an Cañizares wurde die Aufführung ja auch abgebrochen. Aber das Schauspiel enthielt neben den Fingerzeigen auf den Inkaschatz, wie du ja selbst gehört hast, tatsächlich zahlreiche Botschaften dieser Art, allesamt Reizthemen, die dein Vater aufs Tapet bringen wollte, um damit jemanden auf sich aufmerksam zu machen. Jemanden, der die Winke verstehen und sich dann mit ihm in Verbindung setzen würde.«
»Aber wie konnte das der Zensur entgehen? Und Boncalcio muss das Stück doch auch vorher gelesen haben, schließlich hat er es doch an Floridablancas statt beim Theaterdirektor in Auftrag gegeben.«
»Die Anspielungen waren in der offiziellen Bearbeitung nicht enthalten, ebenso wenig wie dieser Ort, dieses Auge des Inkas, wo der Schatz versteckt sein soll. Juan hatte die neuen Dialoge in |55| letzter Minute eingefügt und Cañizares die Order erteilt, sie persönlich auf der Bühne zu rezitieren.«
»Und haben Sie eine Ahnung, warum mein Vater die Dialoge umgeschrieben hat?«
»Das hat er mir nicht gesagt. Ich weiß nur, dass ihn vier Tage vorher eine junge Frau aus Peru aufgesucht hatte.«
»Eine junge Frau aus Peru?«, fragte Sebastián überrascht. »War es eine Mestizin mit pechschwarzem Haar, einem sinnlichen Mund und leicht mandelförmigen Augen? Und kam sie in Begleitung eines äußerst kräftigen Indios?«
»Ja, Juan erwähnte, dass es eine sehr schöne Mestizin war. Und auch einen Indio hatte sie dabei«, antwortete der Jesuit verwundert. »Kennst du sie?«
»Mein Vater hat mir für Cañizares ein Brieflein mitgegeben, in dem er ihn vor dieser Frau warnte. Sie war im Theater. Und ich konnte sehen, dass sie sehr beunruhigt war. Und der Indio verschwand, kurz bevor der Direktor erhängt wurde. Lassen Sie mich noch eine weitere Frage stellen, Onkel. Sie erzählten vorhin, dass 1767 jemand im
Colegio Imperial
von Madrid Niederschriften gesucht hat, die Peru und das Schwarze Schiff betreffen.«
»So ist es.«
»Dann ist doch anzunehmen, dass dieser Jemand schon seit Jahren hinter diesen Schriften her ist«, folgerte der Ingenieur. »Und er muss auch in Lima danach gesucht haben, als man dort die Jesuiten vertrieb und ihre Archive beschlagnahmte.«
»Dem war auch so. Aber auch dort hat er nichts gefunden.« Zum ersten Mal huschte nun ein Lächeln über das Gesicht des Jesuiten. »Weil ich sie gewarnt hatte.«
»Und wie?«
»Ich habe einen Matrosen des Schiffes bestochen, welches das Vertreibungsdekret nach Peru brachte. Da ich ja selbst nicht mehr in Erscheinung treten durfte, beauftragte ich Paco damit, den Vorarbeiter unserer Ländereien von Cádiz. Und während der Weinkeller zum Versteck umgebaut wurde, haben er und dein Vater mir dann noch geholfen, ein paar falsche Fährten zu legen, um die |56| Behörden glauben zu machen, ich wäre über Cádiz außer Landes geflüchtet. So verlor sich meine Spur …«
Álvaro de Fonseca verstummte. Geistesabwesend strichen seine Finger über den Druck, den er noch immer in der Hand hielt. Schließlich brach Sebastián das Schweigen.
»Und Sie? Haben Sie diese Papiere über das Schwarze Schiff zu Gesicht bekommen?«
»Selbstverständlich. Daher weiß ich auch, dass unser Vorfahre Cristóbal de Fonseca eine Frau aus Peru mit nach Spanien brachte.«
»Und was ist aus ihr geworden?«
»Von ihrem Aufenthalt in Spanien wusste niemand. Als sie starb, hat er sie heimlich auf den Ländereien unserer Familie begraben lassen.«
»Weiß sonst noch jemand davon?«
»Ich habe den Eindruck, unser Widersacher spürt dem gerade nach, jetzt, da der Inkathron mehr wert ist als Gold, hängt doch das Schicksal des ganzen
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