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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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mache. Wenn ein Seemann neu an Bord komme, sehe man an den Seilen um seine Truhe oder seinen Seesack sofort, ob er es beherrsche.
    »Ich kenne viele Knoten, weil ich auf der Werft von La Carraca gearbeitet habe, wo sehr viele Schiffe zum Kielholen und Kalfatern anlegen. Außerdem habe ich viele Freunde unter den Korbflechtern, Schustern, Badern und natürlich Webern.«
    »Und was ist an einem Blutknoten so besonders?«
    »Er sieht einfacher aus, als er ist, und die Leute, die ihn beherrschen, |62| kann man an einer Hand abzählen. Zwei Stricke so miteinander zu verschlingen, dass sie wie einer aussehen, zeugt von großer Meisterschaft.«
    »Man muss also viel Erfahrung haben, um einen solchen Knoten machen zu können«, fasste Sebastián nachdenklich zusammen. »Und zudem hat er ihn noch abgewandelt.«
    »Ja, dieser Knoten unterscheidet sich deutlich von denen, die wir hierzulande kennen.«
    »Und da eines unserer Seile dafür verwendet wurde, weiß er auch von unseren neuen Seilen.«
    »Ich fürchte ja.«
    »Der Marqués de Montilla?«, fragte Sebastián.
    »Er ist unser schärfster Konkurrent bei den Aufträgen für die Schiffe der Armada, aber ich weiß nicht, ob   …«, antwortete der Vorarbeiter vorsichtig.
    »Bleibst du lange in Madrid?«
    »Solange Sie mich brauchen, Señor.«
    Kaum war Sebastián allein, überkam ihn ein schrecklicher Verdacht. Hatte der Márques den Zusammenstoß im Theater von vornherein geplant? Gab er jemandem Schützenhilfe? Er musste sofort zu seinem Onkel.

|63| Prophezeiungen
    D ie Hintertür stand sperrangelweit offen, als Sebastián sich im strömenden Regen dem alten Seilspeicher der Fonsecas näherte.
    Eine furchtbare Vorahnung stieg in ihm auf. Beinahe wäre er ausgerutscht, als er die schmale Holztreppe hinunterstürzte, die voller Schlamm war.
    Unten angekommen, beschleunigte sich unwillkürlich sein Herzschlag.
    »Onkel Álvaro?«
    Doch der Jesuit konnte nicht mehr antworten. Mit schreckgeweiteten Augen lag er am Boden, um seinen Hals einen Strick mit demselben Knoten, mit dem auch Sebastiáns Vater und der Theaterdirektor erdrosselt worden waren.
    »O mein Gott!«, flüsterte Sebastián. »Noch einer, den man zum Schweigen gebracht hat.«
    Die Knie zitterten ihm, und er war kreidebleich, als er dem Toten die Lider schloss. Mehrmals atmete er tief ein und aus, um sich etwas zu beruhigen, bevor er die Kerze dem Knoten näherte. Vorsichtig zog er den Zettel heraus, der in einer der Schlaufen steckte. »Ein Staatsdiener, der mit List zu höchster Gunst gelangte, wird am Ende die Verachtung jener erleben, die ihn zuvor beweihräucherten   … Ein Minister wird abgesetzt werden, weil er sich dies Orakel nicht zu Herzen nahm. Gewisse Leute werden den Hof in große Unruhe stürzen, und einige sind zum Tode verdammt«, stand darauf zu lesen.
    Es klang wie eine Prophezeiung. Was hatte das zu bedeuten?, |64| fragte Sebastián sich, als er auf einmal ein lautes Stampfen auf der Treppe hörte. Instinktiv zog er seinen Degen. Doch nützte er ihm wenig. Die vier Maskierten, die hereinstürmten, hatten allesamt Pistolen und fackelten nicht lange. Kurzerhand banden sie ihm die Arme auf den Rücken, knebelten ihn und stülpten ihm eine schwarze Kapuze über. Grob stießen sie ihn dann die Treppe hinauf und schubsten ihn in eine Kutsche, die sofort losfuhr.
    Anfangs spürte Sebastián noch die Pflastersteine, vernahm Geschrei, Pferdegetrampel, das Rumpeln von Kaleschen, dann wurden die städtischen Geräusche weniger und der Boden unebener. Sie schienen sich auf freiem Feld zu befinden. Wohin brachten sie ihn? Und wer waren sie? Wie gewöhnliche Büttel hatten sie auf jeden Fall nicht gewirkt.
    Endlich hielt die Kutsche und man hieß ihn aussteigen. Kräftige Männerhände packten ihn auf jeder Seite. Er hörte Stimmen und das hässliche Knarren einer Tür, durch die sie ihn hindurchschleiften, spürte ausgetretene Fliesen unter seinen Füßen, bis sie schließlich vor einer weiteren Tür stehen blieben. Riegel wurden aufgeschoben, und dann stießen sie ihn hinein, ketteten ihn mit Händen und Füßen an die Wand und nahmen ihm den Knebel aus dem Mund. Einen Moment später waren sie verschwunden.
    Es war ein kalter, feuchter Raum. Er konnte nichts sehen, war sich aber sicher, dass er sich in einem geheimen Verlies befand. Obgleich er offensichtlich allein war, nahm er den Geruch von Erbrochenem und Urin wahr, den unbeschreiblichen Gestank der Angst.
    Es war alles so schnell gegangen, dass

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