Quipu
bekräftigen.«
»Und da scheint was dran zu sein. Warum sonst zeigt sich Floridablanca mit ihr auf der Premiere eines Schauspiels um die Gebrüder Pizarro und die Eroberung Perus?«
Hinter der Mestizin ging ein kräftiger, großer Indio, der als Lakai gekleidet war. Seine Livree war auf das Hermelincape und das prächtige rote Samtkleid seiner Herrin abgestimmt, das mit zwei Reihen Smaragden gerafft war, deren Strenge sich an ihrem großzügigen Dekolleté verlor. Doch nicht nur die dunkle Haut, die sich vom Brustansatz bis zu den fast nackten Schultern erstreckte, betörte Sebastián, er war auch ganz fasziniert von der Art, wie sie sich bewegte und ihre Figur zur Schau stellte. In seinem |17| früheren Leben hatte ihn das an den Frauen am meisten beeindruckt. Er war nicht müde geworden, die Anmut ihres Gangs zu bewundern. Es war ihm immer so vorgekommen, als ob diese natürliche Grazie die Welt erst in Bewegung setzte und sich um die eigene Achse drehen ließ. Und nun überkamen ihn nach so langer Zeit wieder dieselben Gefühle. Verrieten seine auf Umina gerichteten Augen diese Sehnsüchte womöglich? Denn als sie an ihm vorbeischritt, ihn dabei fast streifte, sah sie ihn lange und eindringlich an.
»Dieses unverfrorene Frauenzimmer«, wisperte Frasquita entrüstet, als Floridablancas Gefolge vorbeigezogen war. Sie musterte ihren Begleiter, der der Schönen noch immer hinterhersah. »Nimm dich in Acht. Du bist noch nicht reif für eine solche Frau.«
»Wie meinst du das?«
»Sie ist viel zu gefährlich für dich. Auch wenn sie sich jetzt so herausgeputzt hat, ist sie doch eine wahrhaftige Amazone. Vor zwei Tagen haben sie sie auf die Jagd mitgenommen, und Floridablanca hätte fast keine Beute gemacht. Was ihr ins Auge fällt, wird erlegt. Doch jetzt komm, die Vorstellung fängt gleich an.«
Frasquitas Loge lag direkt neben der Bühne. Nachdem Sebastián ihr geholfen hatte, den Stoff des Reifrocks zu ordnen, sah er sich unauffällig nach der Mestizin um. Sie saß in der Ehrenloge zwischen Onofre und dem ersten Minister. Der riesenhafte Indio nahm ihr gerade das Hermelincape von den Schultern.
Frasquita zupfte Sebastián am Ärmel. »Onofre hat mir erzählt, dass das heutige Stück Tirso de Molinas Trilogie über die Gebrüder Pizarro zur Grundlage hat.«
»Das stimmt. Mein Vater, der ja ein großer Theaterkenner ist, hat Cañizares geholfen, die drei Teile zu einem Stück zusammenzufassen.«
»Tatsächlich? Das hat mir Onofre gar nicht erzählt. Dann ist es ja erst recht schade, dass dein Vater es wegen seines Rollstuhls nicht sehen kann. Hast du es gelesen?«
»Nein, er hat alles dem Theaterdirektor gegeben. Ich hätte aber |18| auch gar keine Zeit dafür gehabt, schließlich bin ich erst vor ein paar Stunden in Madrid angekommen.«
»Nun ja, ich bin schon zufrieden, wenn sie die Indios nicht so lächerlich darstellen wie in ›Die Inkas‹ von Marmontel.«
»Sie haben gut daran getan, das Stück zu verbieten. Es hat nicht nur Spanien, sondern den gesunden Menschenverstand beleidigt.«
In diesem Augenblick ging der Vorhang auf, und es erklangen die Pauken und Hörner der Ouvertüre. Die ersten Dialoge handelten von der Vorgeschichte, die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts spielte. Es ging um die Situation Perus nach dem Tode Francisco Pizarros und die Verschwörung seines Bruders Gonzalo, gespielt von Cañizares, dem Direktor der Theaterkompanie, der sich an seine Nichte Francisca wandte, die erste Mestizin, Tochter aus der Verbindung seines verstorbenen Bruders mit einer Inkaadligen. Gonzalo sprach davon, dass seine Anhänger ihn zwar dazu ermunterten, sie zu ehelichen, um so zum König von Peru gekrönt zu werden und das Land von Kaiser Karl V. unabhängig zu machen, doch werde er, Gonzalo, der spanischen Krone auf jeden Fall treu bleiben.
Jetzt verstehe ich, warum Floridablanca eine Neubearbeitung von Tirso de Molinas Geschichte wollte, sagte sich Sebastián, das ist die Botschaft, die man jetzt, zweihundert Jahre später, braucht. Das Vizekönigreich Peru ist in Aufruhr, und jede Menge Thronanwärter schwirren am spanischen Hof herum, unter anderem diese schöne Mestizin. Sein Blick wanderte von der Bühne hoch zu Umina. Durch sein Opernglas konnte er erkennen, mit welch lebhaftem Interesse sie die Aufführung verfolgte.
Da wurde es im Saal auf einmal vollkommen ruhig. Sebastián richtete sein Augenmerk wieder auf die Bühne.
Die Stille kam nicht von ungefähr, denn Gonzalo Pizarro, alias
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