Quipu
sämtliche Trümpfe in der Hand, zumal er nun von Uminas Anwesenheit an Bord wusste. Er musste handeln, auch wenn es eine Verzweiflungstat war, musste ausnutzen, dass Mannschaft und Passagiere sich auf die Ankunft im Hafen vorbereiteten.
Er ging zur Bugtreppe und stieg zum Unterdeck hinab, wo er das ganze Gepäck der Matrosen durchsuchte. Doch die Truhe, die er suchte, fand er nicht, weshalb er sich eine Etage tiefer in den Laderaum begab. Er musste sich beeilen: Sobald sie anlegten, würde das Entladen beginnen.
Er nahm eine Laterne, zündete sie an und begab sich in jenen Teil, den Hermógenes die »Heilige Gruft« nannte. Während er unter seinen Füßen die ersten Mandelschalen spürte, erinnerte er sich an einen Ausspruch des Zimmermanns: »Stinkender Kielraum, sicherer Rumpf.« Dessen Meinung nach schützten die öligen Schalen den Rumpf vor Holzwürmern. Stimmte das, so war die »África« bestens gewappnet: Aus ihrem dunklen Bauch schlug Sebastián ein Gestank entgegen, der ihm fast den Atem nahm.
Vorsichtig ging er über die seitlich des Laderaums befindliche Plattform, die eine Art Laderampe darstellte. Darunter waren riesige Fässer aufgetürmt, die gut und gerne sechzig spanische Arroben Wasser fassten und mit Keilen gesichert waren, damit sie nicht verrutschten. Viele von ihnen waren inzwischen leer.
|232| Sebastián untersuchte nun jene Stellen, zu denen er während der Tage als blinder Passagier keinen Zugang gehabt hatte. Er entdeckte ein paar schwere Holzkisten, die mit dem Zollsiegel verschlossen waren. Da eines davon durch den Sturm zerbrochen war, konnte er sehen, dass die Kisten feine Stoffe enthielten.
Er gelangte schließlich in eine Ecke mit Brennholz und Teerfässern. Ein Hohlraum zwischen den Fässern erregte seine Aufmerksamkeit: Er fand darin ein großes, in Segeltuch verpacktes Gepäckstück. Das Bündel befand sich unweit der großen, offenen Ladeluke am Bug. Es konnte also problemlos von außen dort hineingeschmuggelt worden sein und genauso schnell und heimlich wieder entladen werden.
Es trug keinerlei Zollmarke. Sebastián löste den Strick, mit dem die Segeltuchplane befestigt war, und als er mit seiner Laterne auf die geöffnete Plane leuchtete, sah er, dass es sich um einen englischen Handwebstuhl handelte. Doch er fand noch mehr. Bei der Untersuchung der Webstuhlteile entdeckte er Waffen.
Eine ganze Ladung Schmuggelware! Es musste die Ladung sein, die er Montilla in Cádiz mit den Engländern hatte absprechen sehen. Hatte sie etwas mit diesen britischen Fregatten zu tun, die sie angreifen wollten? Montilla kannte die Route der »África« und hatte darauf bestanden, dass der Kommandant nicht vor den feindlichen Schiffen floh. Nur jemand wie der Marqués konnte es wagen, solche Ware auf einem Kriegsschiff zu schmuggeln. Jemand, der mit einer eigenen Miliz in Peru ein konkretes Ziel verfolgen wollte: als wissenschaftliche Expedition getarnt die verlorene Stadt der Inkas und ihre Schätze zu finden.
Nun musste Sebastián nur noch das grüne Cape ausfindig machen und den Namen des Mannes herausbekommen, der in Montillas Schatten handelte und alle dunklen und gefährlichen Geschäfte erledigte, damit der Ruf des Marqués nicht zu Schaden kam.
In der Aufregung und Eile suchte er, ohne auf den Lärm zu achten, den er verursachte. Und so bemerkte er auch nicht, dass ihm jemand auf dem Vorsprung über ihm folgte.
|233| Kurz darauf entdeckte Sebastián eine eisenbeschlagene Truhe, an der außen der grüne Umhang befestigt war. Jetzt werde ich endlich erfahren, wer der Mörder ist, sagte er sich.
Er stemmte die Truhe auf. Zunächst fand er nur Wechselwäsche, doch dann kamen verschiedene Dokumente zum Vorschein. Und der Name, den er darauf las, versetzte ihn derart in Erstaunen, dass ihm fast die Laterne aus den Händen fiel. Vor allem, als er über sich auch noch eine Stimme vernahm:
»Die Ratten kehren immer in den Keller zurück. Haben Sie etwas Interessantes in meinem Gepäck gefunden?«
Als er sich umwandte und nach oben blickte, sah er eine glänzende Enteraxt aufblitzen. Das Gesicht seines Gegners konnte er im Gegenlicht nicht erkennen. Doch eine Ausbeulung am linken Ärmel unter dem Gehrock ließ ihn den Verband um jene Wunde erahnen, die sein Stemmeisen verursacht hatte.
Das war also der Mann, den Montilla während des Sturms angeblich verloren hatte. Als sein Plan, den Indio über Bord zu werfen, gescheitert war, hatte er sich gezwungen gesehen, sich bis zu seinem
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