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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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heimlichen Ausschiffen zu verstecken.
    Nun,da Sebastián die Identität dieses Verbrechers herausbekommen hatte, würde dieser ihn nicht mehr lebend davonkommen lassen. Das Festland war nah, und er würde problemlos fliehen können. Der Mann musste dasselbe gedacht haben wie er selbst: jetzt oder nie.
    Sebastián war eine leichte Beute. Er war unbewaffnet. Er löschte die Laterne. Er kannte den Laderaum gut, der nun lediglich von der Laterne des Gegners und dem schwachen Licht beleuchtet wurde, das durch die Luke drang.
    Doch der Feind schien sich ebenfalls gut auszukennen. Und die Axthiebe, die er austeilte, waren in der Dunkelheit nicht weniger gefährlich.
    Sie zischten an Sebastiáns Kopf vorbei und zwangen ihn, sich zurückzuziehen, bis er an ein paar Teerfässern weder vor noch zurück konnte.
    In diesem Augenblick war ein heftiges Rucken zu spüren, ausgelöst |234| durch das Anlegemanöver des Schiffes. Einige der gestapelten Teerfässer über Sebastián fielen um und er konnte sich gerade noch an den Schiffsrumpf pressen, um nicht von ihnen erschlagen zu werden. Auf einmal war er zwischen den schweren Fässern eingeklemmt.
    Er versuchte, sich einen kurzen Überblick über die Lage zu verschaffen. Sollte der Feind überprüfen wollen, ob er tot war, musste er zu ihm herabsteigen.
    Er sah den Schein der Laterne. Der Angreifer war direkt über ihm und ließ sich gerade an einem Wasserfass herunter zu der Stelle, an der Sebastián gefangen war. Zwischen den Fässern hindurch sah dieser die silbernen Schuhschnallen seines Gegners aufblitzen.
    Er tastete um sich, bis er ein Werkzeug fand. Es diente zum Verteilen und Festklopfen der Mandelschalen. Sein Endstück war aus Eisen und ziemlich scharf. Seine einzige Chance war, abzuwarten, bis der Gegner direkt vor ihm stand, um ihm dann einen tödlichen Schlag zu verpassen.
    Er hörte, wie sein Gegner mithilfe der Axt die Fässer beiseiteräumte. Nun fehlte nur noch ein Fass, ein besonders schweres, und der Weg wäre frei.
    Kaum war das letzte Fass weggeräumt, versetzte Sebastián ihm einen heftigen Schlag. Er vernahm den Aufschrei, den Versuch, sich zu fangen, spürte den Luftzug des Axthiebs, den der andere ihm verpassen wollte, der aber danebenging und das letzte Fass traf, das auf den Ingenieur kippte.
    In diesem Augenblick wurden die Luken geöffnet, und Sonnenlicht fiel in die Tiefen des Laderaumes. Sebastián hörte, wie sein Gegner keuchend und fluchend davonkroch und schließlich über einen der Balken auf die Laderampe zurückkletterte.
    Unter dem Fass eingeklemmt, hörte Sebastián die für die Ankunft im Hafen typischen Geräusche, die Schreie der Matrosen, die die Leute an der Mole zur Vorsicht ermahnten, das Knarren der Spills und das Quietschen der Taue, die über die Gepäckstücke gelegt wurden.
    |235| Doch dies alles nahm er bereits wie durch einen Nebel wahr. Das schwere Fass war von der Axt des Gegners gespalten worden und nun ergoss sich sein Inhalt über ihn. Das Fass enthielt keinen Teer, sondern etwas Silbernes, das auf seiner Haut in winzige Kügelchen zerfiel.
    Quecksilber.
    Ehe der Ingenieur endgültig wegdämmerte, fiel ihm auf, dass er seine Reise beendete, wie er sie begonnen hatte: versteckt im stinkenden Laderaum. Dafür hatte er also den Atlantik überquert, die Chronik gelesen und schließlich sogar den Namen des Mörders herausgefunden, dessen Identität nun mit ihm begraben würde. Welch würdiges Ende für einen Sohn des Jahrhunderts der Aufklärung.

|237| DRITTER TEIL
DER MÜDE STEIN
    |239| Callao
    E s war nicht mehr die »África« und die Wasser auch nicht mehr die des Atlantiks: Auf einem lahmen Post- und Transportschiff durchquerten sie den Pazifischen Ozean. Offiziell trug es den Namen »Unsere Frau der Schmerzen«, doch die Matrosen nannten es respektlos »Das Wrack«. Es segelte die Küste entlang in Richtung Callao, zum Hafen von Lima.
    »Ich brauche mehr Eier«, verlangte Umina.
    Qaytu, der neben ihr stand, pflichtete ihr nickend bei.
    »Schon gut, Sie haben gewonnen«, gab der Seemann nach.
    Er trat an die Hühnerkäfige und holte so viele Eier heraus, wie er finden konnte. Umina legte sie vorsichtig in einen Korb und ging damit in die Kombüse. Dort trennte sie die Eier, gab die Eiweiße in eine große Schale und stieg wieder hinauf an Deck.
    Aus den Papierballen, die das Schiff für eine Zigarrenmanufaktur mitführte, hatten sie einen Unterschlupf gebaut. Und dort ruhte auf einem Strohsack Sebastián de

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