Quipu
vorgelegt worden sind. Im Augenblick bereitet er seine Reise nach Cuzco vor. Denn eine Angelegenheit, die noch nicht geklärt ist, ist die Untersuchung von Túpac Amarus Grabstätte, die sich in der Krypta des Klosters Santo Domingo befinden soll.«
»Er erhält die Erlaubnis, die Krypta zu betreten?«, wunderte sich Zúñiga. »Darum haben schon viele ersucht, angeblich befinden sich dort auch die Überreste des Coricancha, des alten Sonnentempels der Inkas. Sowie deren versteckte Schätze.«
»Gut möglich,dass er sie bekommt. Das Kloster steckt in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, und der gerade gewählte Prior ist ein sehr geschäftstüchtiger Mann. Wenn man all das wirklich dort findet, wäre dies dem Ansehen und den Finanzen des Klosters sehr zuträglich. Es könnte sich dann sogar Königliches Kloster Santo Domingo nennen.«
|257| Sebastián wurde klar, dass Umina und er so schnell wie möglich nach Cuzco reisen mussten, um Carvajal und Montilla zuvorzukommen. Doch zunächst musste er eine weitere, nicht weniger heikle Mission in Lima erfüllen.
»Wissen Sie, ob bei diesen ganzen Streitereien Dokumente aus dem alten Archiv der Jesuiten aufgetaucht sind?«, fragte er.
»Ich habe bereits viel zu viel gesagt«, wich Ampuero ihm aus und machte Anstalten, zu gehen.
»Warten Sie!«, bat Sebastián ihn. »Nur noch eines: Weshalb fragten Sie, ob ich Familie in Peru hätte?«
»Das ist etwas heikel. Und ich will Sie keinesfalls beleidigen,aber Sie erinnern mich an diesen José Gabriel Condorcanqui. Er nennt sich zwar Túpac Amaru, aber sein Blut ist nicht rein, er ist Mestize. Er ist für einen Indio zu weiß, für einen Spanier zu dunkel.«
»Lieber Himmel!«, rief Sebastián belustigt aus und wandte sich dann an Zúñiga: »Erinnere ich Sie auch an Condorcanqui?«
»Ich hatte noch nicht das Vergnügen, ihn kennenzulernen«, antwortete Don Luis ausweichend.
Als der Magistrat gegangen war, hielt der Gastgeber Sebastián zurück.
»Auch ich muss Sie vor Alonso Carvajal warnen … Es stimmt, was Ampuero gesagt hat. Niemand wird je gegen ihn aussagen. Er ist äußerst gefürchtet und einer der mächtigsten und erbarmungslosesten Großgrundbesitzer. Und er ist der wichtigste Vertreter der Interessen der
criollos,
der in Peru geborenen Spanier. Es ist besser, Sie kommen ihm nicht in die Quere.«
»Ich fürchte, das ist bereits geschehen.«
»In diesem Fall können Sie nur mit einem Verbündeten rechnen. Dem Einzigen, der keine Angst hat, ihm entgegenzutreten.«
»Sie meinen sicher nicht José Gabriel Condorcanqui?«
»Natürlich nicht. Er ist zwar ein erklärter Feind Carvajals, doch nach dem Wenigen, das ich über ihn gehört habe, bezweifle ich, dass Sie sich mit ihm verstehen würden.«
»Dann sprechen Sie von Umina. Ich weiß, dass Carvajal ihren Bruder getötet hat.«
|258| »Sie hat Ihnen die Geschichte erzählt?«, wunderte sich Zúñiga. Die Besorgnis in seiner Stimme war nicht zu überhören.
»Ja, aber nur ganz grob. Ich hatte gehofft, Sie würden mir mehr erzählen.«
»Das werde ich nicht. Es war grauenvoll. Warum, meinen Sie wohl, will niemand darüber sprechen?«
|259| María de Ondegardo
S ebastián war spät aufgestanden, hatte eine cremige, nach Zimt und Vanille duftende Schokolade und Toasts zum Frühstück eingenommen und fühlte sich gestärkt, den Auftrag des Onkels zu erfüllen und Gil de Ondegardo aufzusuchen, um mehr über dessen Geschichte herauszufinden.
Er ahnte, dass hinter dem Mord an seinem Onkel sehr viel mehr steckte als nur eine persönliche Abrechnung. Und er begann die Verwicklung Alonso Carvajal y Acuñas ernst zu nehmen. Wenn sich hinter der Familiengeschichte der Fonsecas jene in der Chronik enthüllte Vorgeschichte verbarg, warum sollte sie nicht auch die Taten dieses Mannes leiten? Immerhin war er Diego de Acuñas Nachfahre und hatte Zugang zu geheimen, seit zwei Jahrhunderten in Vergessenheit geratenen Dokumenten gehabt.
Sebastián war auf das Schlimmste gefasst. Am meisten beunruhigte ihn Uminas Beziehung zu diesem Mann. Es gab da etwas Schreckliches, das die Mestizin ihm verbarg. In ihrem Blick nahm er ein flüchtiges Aufflackern von Furcht und Entsetzen wahr, wenn er herauszufinden suchte, was mit ihrem Bruder passiert war.
Er konnte Umina und Don Luis davon überzeugen, dass er Gil de Ondegardo allein aufsuchen musste. Der Archivar war der Einzige, der ihm sagen konnte, wie die Chronik sich in die derzeitigen Ereignisse einfügte. Sein Name und
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