Quipu
misstrauisch geworden und habe sie schließlich sogar geöffnet und ihrem Mann vorenthalten, um dieser unseligen Beziehung ein Ende zu setzen.
»Ich tat es aus Eifersucht. Aus purer Eifersucht«, klagte sie. »Weil ich die Hoffnung hatte, er würde ihn vergessen, wenn er keinen Brief mehr bekäme.«
Dennoch habe sich Gil, wie die Witwe Sebastián dann erzählte, stets mehr von ihr entfernt, sei immer unruhiger geworden. Natürlich habe sie die Warnungen gelesen, die Álvaro de Fonseca ihrem Mann schickte, doch habe sie diese für eine Kapriole des Geliebten gehalten, für den Versuch, auf sich aufmerksam zu machen. Bis Gil zu Tode gekommen sei.
»Álvaro de Fonseca hat ihm jene Liebe bewiesen, zu der ich nicht in der Lage war«, schloss sie mit versagender Stimme.
Sebastián hörte still zu und bemühte sich dann, die Witwe zu trösten, während er gleichzeitig seine Lage einzuschätzen suchte.
Da wurde ihm klar, dass er einen großen Fehler begangen hatte. |265| Mit seinem Besuch bei dieser Frau hatte er dem Mörder eine Fährte bestätigt, die bislang noch zweifelhaft gewesen war, und vielleicht war es die letzte, die dieser noch gebraucht hatte.
|266| Die Schokolade der Jesuiten
D ie Witwe schien es als Erleichterung zu empfinden, sich bei jemandem aussprechen zu können. Vor allem, nachdem Sebastián ihr geschildert hatte, was seinem Onkel und seinem Vater widerfahren war. Je mehr sie ihm ihr Herz ausschüttete, umso deutlicher traten die Gründe zutage, weshalb eine Frau ihres Ranges einen Mestizen wie Gil de Ondegardo geheiratet hatte.
»Gil war Mestize?«, fragte der Ingenieur überrascht.
»Ja. War Ihnen das nicht bekannt?«
Was hatte der Onkel ihm noch alles nicht mehr erzählen können? Ondegardos Austritt: War er ein Akt der Verzweiflung gewesen? Und seine Ehe? Hatte das alles mit dem zu tun, was Ondegardo über die Dokumente im Jesuitenarchiv hatte herausfinden können? Hatte er sie benutzt, um daraus Gewinn zu schlagen oder um sich hinter Álvaros oder gar des Ordens Rücken mit jemandem zu verbünden?
»Aber ich kann Ihnen sagen, dass meine Ehe dennoch glücklich war.«
»Trotz allem?«, wagte er zu fragen.
»Ja, sie war stets ein wenig überschattet, aber ich maß dem keine Bedeutung bei … bis ich erfuhr, dass jemand meinen Mann verfolgte.«
»Weil er Sie geheiratet hat?«
»Nein, weil er ein ehemaliger Jesuit war.«
»Aber er ist doch aus dem Orden ausgetreten.«
»Er trat 1767 aus, um seine Ausweisung aus Peru zu verhindern.«
|267| »Und ab dem Zeitpunkt wurde er verfolgt?«
»Damals waren viele Geschichten über die sagenhaften Reichtümer der Gesellschaft Jesu im Umlauf. Es hieß, sie hätten die Schätze der Inka gefunden und würden riesige Mengen Schokolade nach Spanien schicken, um die Gunst des Königs und seiner Familie sowie anderer einflussreicher Leute zu erlangen. Eine Schokolade, so schwer und so gehaltvoll, dass die Redensart entstand: ›Schwerer als die Schokolade der Jesuiten.‹ Bis jemand, dem das Gewicht der vielen Sendungen verdächtig vorkam, eine der Schachteln öffnete. In jeder Unze Schokolade versteckte sich eine Unze Gold. Und diese Bestechung muss Erfolg gehabt haben, schließlich war hier in Peru der Befehl zur Vertreibung der Jesuiten bereits vorher bekannt.«
Sebastián erinnerte sich daran, was sein Onkel Álvaro ihm erzählt hatte, der das Schreiben mit dieser Nachricht Paco anvertraut hatte.
»Gerüchten zufolge«, fuhr die Witwe fort, »haben die Jesuiten die Vertreter der Staatsgewalt schon im Refektorium erwartet, das Brevier in der einen und das Kleiderbündel in der anderen Hand.«
»Die Benachrichtigung hat also Wirkung gezeigt.«
»O ja. Eine so starke Wirkung, dass die Jesuiten noch einige ihre wertvollsten Güter verstecken konnten, sodass es eine weitere Beute für diejenigen gibt, die auf der Suche nach verborgenen Schätzen sind«, erklärte María de Ondegardo. »Diejenigen, die die Vertreibung der Gesellschaft Jesu wollten, verbreiteten Gerüchte über die Reichtümer, die der Orden angeblich anhäufte, um einen unabhängigen Staat in Südamerika zu schaffen. Ihr wichtigster Beweis dafür war die Verbindung der Familien des bedeutsamsten Jesuiten mit der der Inkas. Es hieß sogar, die Jesuiten hätten die wertvollste Reliquie der Inkas in Verwahrung, den Punchao, diese Sonnenscheibe mit der Asche der Herzen all ihrer Herrscher.«
»Das sind Gerüchte, die zurzeit neu aufkeimen.«
»Ja. Vor kurzem hat die Suche verstärkt
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