Quipu
eingesetzt, und in Lima wollten sie gar die Kirche der Gemeinschaft niederreißen, um an ihren Grundfesten herumpicken zu können. Deshalb müssen Sie |268| mir mein Misstrauen verzeihen. In Spanien gibt es eine Betrügerbande, die Karten mit Angaben über in Amerika vergrabene Schätze fälscht. Sie behaupten, diese Dokumente im Nachlass ihrer Angehörigen gefunden zu haben, oder Geschichten in der Art.«
»Aber warum haben sich die Nachforschungen über die Jesuiten auf Ihren Gatten konzentriert?«
»Er war der Archivar. Außerdem war er Mestize und konnte Quechua. Und er unterhielt Kontakte zu den Indios, um die in dieser Sprache verfassten Dokumente besser verstehen zu können. Viele Menschen hatten ihn im Visier.«
»Hat Ihr Gatte Ihnen gegenüber einmal Dokumente erwähnt, die mein Onkel Álvaro hierher nach Lima brachte? Sie stammten aus dem Jesuitenarchiv in Madrid und hatten mit einem Schiff zu tun, das 1573 geheime Reisen zu den Küsten Andalusiens unternahm.«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Gil war äußerst beunruhigt, seit ihn ein Mann aufgesucht und nach ein paar Dokumenten gefragt hatte. Vielleicht waren das ja die, die Ihr Onkel aus Madrid mitbrachte.«
»Erinnern Sie sich an den Namen dieses Mannes? … Lautete er zufällig Alonso Carvajal y Acuña?«
Sebastián hatte erwartet, der Name Carvajal würde die Witwe aufschrecken. Doch dem war nicht so. Sie schüttelte den Kopf.
»Gil hat ihn mir nie genannt. Doch da dieser Mensch ihm nicht geheuer war, sagte er mir, wo die Papiere versteckt sind, falls ihm etwas zustieße. Und er erzählte mir, dass die Jesuiten ihm vor ihrer Vertreibung ein paar ihrer heikelsten Dokumente aus dem Archiv anvertraut hätten.«
»Wussten seine Vorgesetzten von seiner Absicht, aus dem Orden auszutreten?«
»Ja. Aber sie wussten auch um seine absolute Loyalität und Ehrbarkeit. Außerdem kannte er die Dokumente bereits … Anfangs wusste Gil nicht, wo er sie verstecken sollte. Als er dann aber einen Schwarzen mit Maurerkelle durch die Straße kommen sah, kam |269| ihm eine Idee: Er verband ihm die Augen, führte ihn ein paarmal im Kreis und befahl ihm dann, ein Versteck zu mauern, wo er die Papiere verstecken konnte.«
»Dann könnten Sie mich dorthin führen?«, unterbrach Sebastián sie.
Das war ungeschickt gewesen. Sebastián merkte, dass sie zu zweifeln begann, ob sie ihm jenes Geheimnis enthüllen sollte, das Ondegardo das Leben gekostet hatte. Also setzte er alles auf eine Karte.
»Doña María, wenn Sie mir nicht vertrauen, dann waren der Tod Ihres Mannes, meines Vaters und meines Onkels umsonst.«
Sie dachte über seine Worte nach. Schließlich gab sie sich einen Ruck.
»Gil meinte, der Maurer sei damals, als er im Keller an dem doppelten Boden gearbeitet habe, über Lärm in seiner unmittelbaren Nähe erschrocken. Er stammte vom Entladen des Getreides, das in dem Silo am Ende dieser Sackgasse gelagert werden sollte. Zu diesem Silo hat man vom Keller aus Zugang«, schloss die Witwe, »ohne auf die Straße zu müssen.«
»Können Sie ihn mir zeigen?«
Die Witwe läutete ein silbernes Glöckchen. Als die Dienerin kurz darauf erschien, bat sie sie, die Kellerschlüssel zu holen und den Ingenieur zum Zugang des Silos zu führen. Vorsichtig öffnete Sebastián dort die Bodenluke. Dann stieg er in das Silo hinab und fand problemlos das gemauerte Versteck. Und darin die Papiere seines Onkels sowie jene aus dem Archiv von Lima.
Die Witwe zeigte Sebastián einen Tisch im Salon, wo er die Dokumente ausbreiten konnte, und zündete einen Leuchter an.
Sebastián schlug die Akte auf. Auf dem obersten Blatt stand zu lesen, dass Diego de Acuña im Jahre 1572 in Cuzco verstorben und Sírax anschließend mit dem Jesuiten Cristóbal de Fonseca auf einem geheimen Schiff nach Spanien gereist war.
Danach bezeugte die Mutter Oberin eines Klosters in Cádiz, in das man Sírax gesteckt hatte, dass die Inkaprinzessin keinerlei Kontakt zur Außenwelt gehabt habe, außer zu Cristóbal de Fonseca, |270| der sie regelmäßig besucht habe. Die Ordensfrau erklärte, das Verhalten der Indiofrau und ihrer Dienerin sei mustergültig gewesen, außer dass Sírax sich unter keinen Umständen das Haar habe abschneiden lassen wollen, eine lange, glänzend schwarze Mähne, die sie gepflegt und gekämmt habe, als sei sie das Leben selbst. Die Nonne wollte mit diesem Zeugnis das Kloster von jeglicher Verantwortung für den Tod und das spätere Schicksal der Inkaprinzessin
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