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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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der's hören wollte, daß wieder ein Krieg in der Luft sei, drüben in Böhmen wüßten sie schon davon, und daß er seinerseits warten wolle, bis es wieder losginge. Krieg in Frankreich, das sei das einzig vernünftige Leben; wenn es aber
nicht
wieder losginge, nun, dann ginge
er
, und er wiß auch schon wohin. Er wolle zu den Heiligen am Salzsee, da hätte jeder sieben Frauen, und wenn er auch immer gesagt habe, daß
eine
schon zuviel sei, was auch eigentlich richtig, so woll er's doch mal mit sieben versuchen; es sei doch mal was anderes. Er war sehr aufgeregt und sprach immer in diesem Ton, und sein einziges Vergnügen war, daß man ihn für einen Ausbund von Klugheit hielt und sich wunderte, wo er das alles herhabe.
    Ja, das schmeichelte seiner Eitelkeit und gab ihm eine momentane Befriedigung, die meiste Zeit aber war er nicht bloß unzufrieden mit aller Welt, sondern auch mit sich selbst und konnte zu keinem festen Entschluß kommen. All das Sprechen von Krieg und Auswanderung und Salzsee war doch nur ein müßiges Spiel, im Grunde seines Herzens hing er mit Zärtlichkeit an seinem Schlesierland und dachte gar nicht an Fortgehen, wenn ihm der Boden unter den Füßen nicht zu heiß gemacht würde. Aber das war es eben. Machte »der da drüben« Ernst, so war der heiße Boden da und zugleich der Augenblick, wo das, was er bisher bloß an die Wand gemalt hatte, Wirklichkeit werden mußte. Denn zum zweiten Mal ins Gefängnis, das zu vermeiden, war er fest entschlossen, und so hing denn alles an der Frage: wird Opitz Ernst machen oder nicht?
    Nach seinem ersten unmittelbaren Gefühle war an diesem Ernste wohl nicht zu zweifeln, aber das Weibervolk drüben hatte großen Einfluß, und wenn Bärbel und Christine die rechte Stunde wahrnahmen, so war es doch am Ende möglich, daß sie den trotz aller Schroffheit und Bärbeißigkeit auch wieder sehr bestimmbaren Hausherrn dahin brachten, die Sache fallenzulassen. Und warum auch nicht? Was war es denn groß? Ein Has. Und daß der Hase wirklich in dem Kornfeld gesessen, darüber war kein Zweifel, dem konnte sich auch Opitz nicht entziehen, und wenn er, Lehnert, in seinem Stolz und seinem Übermut auch keine Nachsicht verdienen mochte, so doch die alte Frau, die so gut wie eine Bettlerin war, wenn man ihr den Sohn noch einmal ins Gefängnis schickte.
     
    So vergingen, ohne daß auf seiten Lehnerts etwas geschehen wäre, gegen anderthalb Wochen, und wär auch wohl noch weiter so gegangen, wenn nicht die Plaudertasche, die Christine, gewesen wäre, die beständig alles, was drüben in der Försterei vorging, zu den Menzes hinübertrug. Unter den kleinen Freiheiten, die sie sich regelmäßig nahm, war auch die, daß sie den Opitzschen Schreibtisch beim Aufräumen und Staubabwischen einer gründlichen Revision unterzog, so daß sie jederzeit wußte, wie die Dienstsachen standen. War das nun schon ihr alltägliches Tun, so doppelt, seitdem Lehnert in Gefahr schwebte, der Gegenstand oder das Opfer einer Opitzschen Schreibübung zu werden. Eine ganze Woche lang hatte sich nichts finden lassen, heut aber, es war der Tag vor dem vierten Sonntage nach Trinitatis, war ihr der lang erwartete Bericht an den Grafen, in geschnörkelter Abschrift und sauber zwischen zwei Löschblätter gelegt, zu Gesicht gekommen, und ehe noch eine Viertelstunde um war, war sie schon drüben, um ihre Neuigkeit vor die rechte Schmiede zu bringen.
    »Liebe Frau Menz, ich habe es nun alles gelesen. Es sind drei Seiten, alles fein abgeschrieben und unterstrichen, denn er hat ein kleines Pappelholzlineal, das nimmt er immer, wenn er unterstreichen will, und das sind allemal die schlimmsten Stellen.«
    »Jesus«, sagte Frau Menz und zitterte. »Sie können ihm doch nicht ans Leben, bloß um den Has, und war noch dazu so klein, als ob er keine drei Tage wär, und ich hab ihn eigentlich nicht essen können vor lauter Angst, bloß einen Lauf und das Rückenstück, weil es doch zu schade gewesen wäre. Ach, du meine Güte, wenn er um so was sterben sollte, da wäre ja keine Gerechtigkeit mehr, und der Kaiser in Berlin wird doch wissen, daß er ein so guter Görlitzer war und daß er's beinah gekriegt hätte...«
    »Gott, liebe Frau Menz, was Sie nur alles reden, so schlimm ist es ja nicht. Und wär überhaupt gar nicht so schlimm, wenn es nicht das zweite Mal wär, oder was sie, die so was schreiben, den ›Wiederbetretungsfall‹ nennen. Das ist das Wort, das drin steht. Und da machen sie denn gleich aus dem Floh

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