R4ge Inside
glaube, jetzt bin ich wieder dran. Folgt mir.« Er drehte sich um und ging auf den im Dunkeln liegenden Gang zu.
Michael wand sich unter Clementines Griff, bis er ihr gegenüberstand. »Moment mal«, sagte er. Als sie ihn fragend ansah, beugte er sich zu ihr hinunter und küsste sie.
Für einen kurzen Moment blieb die Zeit stehen.
»Wofür war der denn?«, fragte sie, als sie sich von ihm löste. Ihre Augen strahlten in dem funzeligen Licht der Generatoren.
»Weil du so schön bist.«
»Und das fällt dir jetzt erst auf?« Ihre Hand suchte seine Finger. »Verschwinden wir von hier. Dafür haben wir später noch Zeit.«
Er lächelte, dann humpelte er hinter ihr her.
NICHTS
Nichts ist aufregender als die Jagd.
Nichts.
Nicht einmal das Töten.
Ich bin Nichts.
Ich lebe für diesen einen Moment atemloser Erwartung, in dem ich mir meine Beute aussuche.
Wenn ich sie verfolge.
Wenn ich auf den richtigen Augenblick für den Angriff warte.
Ich hungere nach dem Ausdruck der Ãberraschung auf ihren Gesichtern, nach ihrem brechenden Blick, wenn ich mit meiner Waffe aushole und ihnen die Kehle durchschneide. Nach dem Gefühl von Leben, wenn es aus ihren Körpern weicht. Ich kann es spüren. Es ist erstickend und belebend zugleich. Die Luft wird schwer, wenn das Gehirn aufhört zu denken. Gierig saugen sie den letzten Atemzug in sich hinein. Dann ist es vorbei, von einem Augenblick zum anderen. Wenn sie eine Seele haben, bin ich derjenige, der sie verschlingt.
Es spielt keine Rolle, wer sie sind. Ich werde sie vernichten.
Deshalb haben wir uns auch so gut verstanden. Wir wollten beide jagen. Jeder von uns hatte einen anderen Grund dafür, doch das spielte keine Rolle. Wir haben uns nicht einmal besonders gemocht oder vertraut. In der Beziehung waren wir uns viel zu ähnlich.
Trotzdem sind wir Freunde geworden.
Wir wollten töten. Wir konnten es auf unserer Zunge spüren. Den süÃen, klebrigen Geschmack von Rache. Und wir wollten es wiedergutmachen, dass unseretwegen Menschen gestorben waren. So verschieden waren wir gar nicht. Obwohl es ihn schockiert hätte, wenn er es gewusst hätte. Er hätte mir vorgeworfen, ihn umgedreht zu haben. Seine Gedanken verdreht und zu meinen eigenen gemacht zu haben.
Damit hatte ich nichts zu tun.
Wenn ich mit ihm auf der Jagd war, war ich wenigstens noch normal. Na ja, so normal, wie es eben ging.
Geheimnisse.
Die hatten wir. Bei jedem von uns waren es andere. Doch es hätte mich nicht überrascht, wenn man mir gesagt hätte, dass es die gleichen waren.
Irgendetwas machte mich stärker, wenn ich Teil eines Teams war. Dann konnte ich die Dunkelheit tief in meinem Innern zurückdrängen. Ich konnte sie kontrollieren.
Aber es war schwer. Immer.
Ich wollte es nicht.
Ich belog mich. Ich weigerte mich, auf die Stimmen zu hören. Versuchte, sie zu ignorieren. Ich musste stark genug sein, um meinen eigenen Willen zu behalten.
Doch sie riefen nach mir.
Wenn sie zu stark wurden, bin ich geflohen.
Lauf. Lauf weg.
Versteck dich.
Wenn sie gingen und ich wieder normal wurde, fraÃen die Schuldgefühle mich auf.
Ich hatte Schuldgefühle, das kannst du mir glauben. Jede Menge. Ich lebte jeden Moment, als würde eine Tonne geschmolzener Lava meinen Brustkorb verbrennen.
So, wie ich rede, klingt das nicht gerade, als hätten mir meine Opfer leidgetan. Aber es war tatsächlich so. Mir tat jeder Einzelne leid, den ich getötet hatte. Ich behielt sie alle in Erinnerung. Und die groÃe Last auf meiner Seele forderte ihren Tribut.
Das kannst du wieder streichen. Ich habe keine Seele. Sie ist weg. Ich habe sie schon vor langer Zeit verloren.
Wenn ich meine Augen schloss, sah ich ihre Gesichter vor mir. Sie hatten sich in meine Hornhaut eingeätzt. Sie starrten mich an. Anklagend. Hassend. Wünschten mir denselben Tod. Verlangten, dass ich zurückgab, was ich ihnen gestohlen hatte. Irgendwann würden sie mich finden und zu Boden reiÃen. Nach einer Weile fing ich an, Spiegeln aus dem Weg zu gehen. Ich wollte nicht sehen, was sie sahen.
Sie verfolgten mich alle.
Selbst wenn ich meinesgleichen tötete.
MASON
Sie waren quer durch die Stadt gelaufen, hatten sich in den Schatten gehalten, während sie nach Anzeichen von Leben suchten. Ihr Plan sah vor, dass sie ohne Aufsehen vorgingen.
So ging das seit ein paar Wochen. Fast jede Nacht, wenn Aries sich von Daniel
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