R4ge Inside
Regen. Dann hätten sie wenigstens ein bisschen zusätzliche Deckung gehabt. Aber natürlich schien die Sonne und der Wald funkelte wie ein Diamant, während das grelle Licht sie wärmte. Selbst wenn sie Schilder mit einem dicken roten Pfeil über ihre Köpfe gehalten hätten, wären sie nicht weniger aufgefallen.
Sie versteckten sich in der Nähe der Studentenwohnheime. Am frühen Morgen war es ihnen irgendwie gelungen, zurückzuschleichen und die StraÃe vor dem Campus zu überqueren. Auf dem Gelände der Universität waren sie dann im Wald bei den Wohnheimen in Deckung gegangen. Die Bäume standen hier nicht so dicht wie beim Museum, aber es war besser als nichts.
Michael warf einen Blick zu Ryder, der neben einer leicht schiefen Kiefer auf dem Boden hockte. Ryder ignorierte ihn mit finsterem Gesichtsausdruck. Sein FuÃknöchel war angeschwollen und blau â eine Verletzung, die er sich beim Laufen in der Nacht zugezogen hatte. Der Knöchel war übel verstaucht. Um das zu erkennen, musste man kein Arzt sein. Es hielt sie auf, was ein gröÃeres Problem war.
Sie waren nur noch zu dritt. Das Mädchen verlor allmählich das Bewusstsein. Michael hatte es auf weiches Moos gelegt, um es ihm so bequem wie möglich zu machen, aber im Grunde genommen war es sinnlos. Die meiste Zeit starrte die junge Frau wie betäubt nach oben in den Himmel. Doch ein paarmal ging ihr Blick zu ihm und sie sah ihn mit groÃen klaren Augen an.
»Nicht weggehen«, flüsterte sie.
»Keine Angst, ich bleib da«, sagte Michael. Er hielt ihre Hand, während sie mit kurzen, hektischen Atemzügen Luft holte.
»Mir ist so kalt. Nicht weggehen.«
Ryder legte die Hände auf die Ohren.
Sie zerrte an Michaels Hemd, versuchte, ihn zu sich zu ziehen. Jedes Mal wenn sie ausatmete, floss noch mehr Blut aus den Wunden an ihrem Bauch.
»Es wäre besser, wenn du sie von ihren Schmerzen erlöst«, meinte Ryder.
Michael biss die Zähne zusammen. Seit sie angehalten hatten, um eine Pause zu machen, hatte Ryder immer wieder davon angefangen. »Ich habâs dir schon mal gesagt. Das werde ich nicht tun.«
Das Mädchen keuchte und röchelte, während es versuchte, Luft in seine mit Blut gefüllten Lungen zu bekommen.
»Dann tu ich es.«
»Nein.«
Ryder rieb sich den FuÃknöchel. »Du machst es nur noch schlimmer. Du weiÃt, dass sie keine Chance hat. Einen Hund, der schwer verletzt ist, würdest du doch auch töten. Wo ist der Unterschied?«
»Halt die Klappe.«
Das Mädchen stöhnte.
»Wir sind im Krieg, du Loser«, fuhr Ryder fort. »In solchen Zeiten kann man nicht weich und mitfühlend sein. Nur die Starken überleben. Hier rumzusitzen und darauf zu warten, dass sie stirbt, wird uns nur umbringen. Sei barmherzig. Schick sie in den Himmel.«
Das Mädchen hustete. Blut spritzte auf ihre Lippen und Wangen.
Ryder lieà nicht locker. »Glaubst du, diese Monster sind solche Weicheier wie du? GroÃer Gott, nein. Ich hab sie bei der Arbeit gesehen. Sie bringen sich gegenseitig um, wenn das Ergebnis es verlangt. Deshalb haben sie es ja auch geschafft, uns in den Hintern zu treten. Sie haben ein Ziel und daran halten sie sich.«
»Wir sind keine Hetzer«, widersprach Michael. »In dem Moment, in dem wir so werden wie sie, haben wir wirklich verloren.«
»Wir haben schon verloren. Jetzt können wir nur noch das Ende des Spiels beeinflussen. Uns mit einem lauten Knall verabschieden. So viele wie möglich mit ins Grab nehmen.«
Die Atmung des Mädchens wurde immer flacher. Ihre Brust hob sich noch, aber bei Weitem nicht mehr so stark oder regelmäÃig wie vorher.
»Das ist aber nicht das, was du gestern Abend gesagt hast«, meinte Michael. »Du hast alle aufgehetzt. Du hast von Sieg geredet und dass wir uns zurückholen sollen, was uns gehört.«
Ryder zuckte mit den Schultern. »Ich bin ein General. Ein Anführer. Ich sage ihnen, was sie hören wollen, um in die richtige Stimmung zu kommen.«
»Dann lügst du also?«
»Ist das nicht besser als die Wahrheit? He, ihr da. Ihr werdet alle sterben und es wird ziemlich wehtun.«
»Trotzdem ist es nicht richtig.«
»Aber falsch auch nicht.«
Das Mädchen röchelte und seufzte, dann wurde ihre Hand schlaff. Michael brauchte nicht nach ihrem Puls zu fühlen, um zu wissen, dass sie tot
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