Rabenblut drängt (German Edition)
Seite gebeugt. Meine Glieder waren völlig steifgefroren.
Kein Rabe weit und breit. Ich rief mir in Erinnerung, dass es diesen Schwarm hier nicht gegeben hatte, bevor Alexej aufgetaucht war. Und jetzt, wo er wieder fort war, waren auch die Raben verschwunden. Die Raben, die mich auf jedem Gang durch den Wald begleitet hatten. Da musste es einfach irgendeine Verbindung geben! Und als ich endlich ein lautes Krähen hörte, klang es seltsamerweise wie Musik in meinen Ohren.
Wenn ich die Raben finden würde, so war ich plötzlich überzeugt, dann würde ich auch Alexej wiedersehen. Ich suchte die Baumkronen in der näheren Umgebung ab.
Und dann sah ich sie.
Splitterwut
I ch hatte meinen Schwarm für kurze Zeit verlassen. Der Weg, den ich jetzt vor mir hatte, war einer den ich alleine bewältigen musste. Seit über einer Stunde war ich unterwegs. Lange schon hatte ich die Wälder hinter mir gelassen, die dunklen moosgrünen Tannen, die spitz in den Himmel ragten. Die Laubbäume, die ihre üppige Pracht längst in weichen Massen abgeworfen hatten - manche in einem satten Purpur, wie ausgeblutet. Eine triefende Wunde, die sich im Glühen der Morgensonne widerspiegelte.
Die Seen, die sich dazwischen, einem funkelnden Teppich gleich, ausbreiteten, lagen still. So still, als hätte nie eine Hand diese Oberfläche berührt, nie ein Stein diesen glatten Spiegel durchbrochen.
Meine Flügel ruderten leicht, schwangen mich in die Höhe und ließen mich auf den Winden gleiten, ohne die Hülle der Strömung zu verletzen. So leicht, wie mein Körper sich anfühlte, so schwer war das Gewicht in meiner Brust. Es zog an mir, lockte mich zurückzukehren.
Aber ich durfte dieser Verlockung nicht nachgeben. Und ich weigerte mich, diesem Gefühl einen Namen zu geben. Wie hätte ich es Sehnsucht nennen und gleichzeitig wissen können, dass ich diese Sehnsucht als Rabe niemals verspüren durfte?
Je länger ich mich dem Rabenleben hingegeben hatte, umso mehr waren Erinnerungen und menschliche Gefühle in mir verblasst. Sie verschwanden nie vollkommen, aber sie wurden zu einem blutleeren Abbild dessen, was ein Mensch empfand. Das war der Grund, warum wir uns als Raben so frei fühlten.
Aber in diesem Moment fühlte ich mich überhaupt nicht frei.
Ich musste Isabeau vergessen. Ihre Augen, ihr Lachen, den warmen pulsierenden Klang dieses Herzens, das so viel langsamer schlug als ein Vogelherz.
Ich ruderte schneller, und die Kraft in meinen Flügeln erregte und befriedigte mich.
Den größten Teil der Strecke hatte ich bereits hinter mich gebracht, als ich mich dazu zwang zu landen. Ich wollte nicht völlig erschöpft in Příbram ankommen und flog in einen Park, um am Teich zu trinken und ein paar Walnüsse aufzusammeln. Die Schale war hart, deshalb ließ ich die Nuss auf die Steinplatten fallen, die den Weg für die Spaziergänger pflasterten. Ein kleiner Riss genügte: Ich hackte die Schale auseinander, und pickte die weiche, ölige Frucht heraus.
Wenig später schwebte ich über der Stadt. Fahrzeuge bahnten sich langsam und stockend ihren Weg durch die Straßen. Ich war nicht allein in der Luft. In den Grünflächen zwischen den Häusern flirrten Dutzende Sperlinge. Tauben balgten sich mit Elstern und Rabenkrähen um Essensreste aus einem Abfalleimer. An manchen Häusern hatten die Bewohner Fensterbänke und Balkongeländer mit Drahtspitzen gespickt, um Vögel am Absetzen zu hindern.
Meine Flügelschlage wurde schwerfälliger. Ich hielt nach dem sandfarbenen Gebäude Ausschau, das ich in Erinnerung hatte, und flog in einem großen Bogen durch den Stadtteil. Dann war ich mir sicher, das richtige Haus entdeckt zu haben. Ich flatterte an der Fassade entlang. Hier waren keine Spikes angebracht, aber ich entdeckte eine Kunststoffkrähe, die zur Taubenabwehr installiert worden war.
Als ob das gerade in diesem Haushalt nötig wäre.
Ich landete auf einem der Fenstersimse im ersten Stock und hatte Mühe, mich an der glatten Oberfläche festzuhalten.
Ob Jaro da war? Ich hatte ihn nicht mehr gesehen, seitdem Raban mit ihm nach Hause geflogen war, und ich hoffte, dass er inzwischen den Drang sich zu verwandeln unter Kontrolle gebracht hatte. Hier war er besser aufgehoben als in unserem Junggesellenschwarm.
Ich trippelte zum nächsten Fenster. In einem kräftigen Staccato hackte ich dagegen. Und endlich nahm ich eine Bewegung war. Der Vorhang wurde zur Seite gezogen und ein junges Mädchen von vielleicht zwölf Jahren öffnete
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