Rabenblut drängt (German Edition)
hast wirklich Glück.«
»Ja, ich weiß. Und wenn die kleinen Kröten heute Nacht durchschlafen, bin ich der glücklichste Mann auf Erden.«
»Ich würde freiwillig jede Nacht opfern, wenn ich so eine tolle Familie haben könnte.« Ich hatte das nicht sagen wollen, noch viel weniger wollte ich, dass es verbittert klang.
»Du weißt nicht, was du da sagst. Wenn du ständig mit Schlafentzug gefoltert wirst, verschieben sich die Prioritäten schneller als du denkst.«
Ich war erleichtert, dass ihm meine melancholische Stimmung nicht weiter aufgefallen war. »Niemals.«
Jetzt kicherte er. » Quoth the raven: Nevermore! «
Ich schloss die Augen, lehnte mich zurück, die Beine leger übereinandergeschlagen.
»Keine Angst. Ich habe nicht vor, dich heimzusuchen wie der Rabe aus Poes Gedicht. Ich werde heute Nacht zu Arweds Familie gehen und morgen sehen wir weiter.«
»Wie, du bleibst nicht hier?«
»Um deine Frau noch mehr gegen mich aufbringen? Nevermore!«, scherzte ich.
»So ein Blödsinn! Du weißt doch genau, dass du sie schon um den kleinen Finger gewickelt hast. Sie ist völlig hin und weg und fragt sich wahrscheinlich, wie es kommt, dass mein bester Freund dermaßen kultiviert ist.«
»Das bezweifle ich nicht«, gab ich zu, um Nikolaus zu necken. »Noch wahrscheinlicher ist, dass sie sich fragt, wieso du auf einmal mit Messer und Gabel isst, und ob das heute Abend von mir abgefärbt hat.«
»Ich kann ja schlecht vor den Kindern den Höhlenmenschen rauskehren, oder? Aber mal ernsthaft: Du willst nicht zum General?«
Ich atmete tief durch. »Das halte ich für keine gute Idee. Sie würde sich ziemlich aufregen, wenn ich plötzlich vor der Tür stünde.«
»Weiß sie überhaupt, dass du noch lebst?«
»Sicherlich. Ich habe ihr versprochen, dass sie es sofort erführe, sollte ich mich ohne Abschied davonmachen.«
»Wie großzügig von dir!«
»Du wirst sarkastisch? Meine Großmutter ist eine starke Frau - sie gibt sich keinen Illusionen hin.«
»Und doch hast du Sorge, sie könnte sich aufregen?«
»Jetzt hast du mich erwischt.« Ich seufzte. »Der Grundgedanke ist doch eher egoistischer Natur. Ich gebe zu, es würde mich sehr schmerzen sie zu sehen, um sie dann gleich wieder zu verlassen.«
»Wer sagt denn, dass du sie verlassen musst?«
»Nicht!«, wehrte ich ab. »Das haben wir alles schon hundertmal durchexerziert! Du weißt, ich kann nicht ständig so leben, ohne auszubrechen. Das ist für niemanden leicht zu ertragen - auch nicht für den General. Ganz zu schweigen von der Gefahr, die es mit sich brächte, entdeckt zu werden.«
»Ja«, sagte Nikolaus gedehnt. »Hier in Prag würdest du irgendwann auffallen, aber an einem anderen Ort? Außerhalb? Weißt du gar nicht, dass deine Großmutter wieder in Orlík wohnt?«
»Bitte?« Ich verschluckte mich fast an diesem Brocken. »In Orlík? Aber -?«
»Seit über einem Jahr schon. Es wurde restauriert, soweit ich weiß, hat deine Großmutter es sogar für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.«
»Ich hatte keine Ahnung. Wie hat sie das nur angestellt? Diese Frau ist einfach unglaublich!«
»Klingt als hättest du eine Schwäche für sie.«
Das war leicht untertrieben. »Ich liebe sie abgöttisch!«
Er beugte sich weiter vor. »Also wie ist der Plan?«
»Sprich nicht von Plan! Verzweiflungstat beschreibt es eher. Es gibt keinen Plan. Du hattest vermutet, dass der Angriff auf den Staubgrauen nur ein Lockruf gewesen sei. Ich dachte, wir geben diesem Lockruf nach. Zeigen, dass es uns noch gibt und halten Ausschau, aus welcher Richtung die Schüsse kommen werden.«
»Schüsse?«
»Bildlich, natürlich. Ich erwarte eigentlich nicht, dass sie überstürzt handeln werden. Wer auch immer dahinter steckt.«
»Das heißt, du willst den ganz großen Auftritt?«
»Ich kann ja schlecht in der Zeitung annoncieren, oder?«
Er kicherte, und mir floss ein heißes Gefühl durch den Körper. War es Scham? Ich wusste es nicht, aber ich hatte plötzlich das starke Bedürfnis, mich bei Nikolaus zu entschuldigen. Ich räusperte mich verlegen.
»Ich will dich nicht in die ganze Sache mit hineinziehen, Niki. Es betrifft dich nicht und darf auf keinen Fall deine Familie in Gefahr bringen.«
»Was heißt hier, es betrifft mich nicht? Hallo? Ich dachte, du wüsstest, dass ich zu dir stehe. Auf mich kannst du dich verlassen, auch wenn meine Schwester dich damals sitzen gelassen hat. Das hat mit uns beiden überhaupt nichts zu tun.«
»Versteh mich nicht
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