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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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Berges hinauszuragen. Unter mir fiel der Hang in eine dunkelgrüne Masse Tannenwald. Zwischen den Bäumen schimmerte wie hingegossen ein dunkelblauer Bergsee. Ich trat näher an den Rand des Plateaus. Ganz schön steil. Wenn jetzt hinter mir einer › Buh! ‹ schrie, würde ich ziemlich tief runterstürzen.
    Schade, dass Alexej nicht hier war. Diese Aussicht würde ihm bestimmt gefallen. Ich blinzelte in das helle Licht und stellte verärgert fest, dass meine Wimpern feucht wurden.
    Das Blau unter mir glitzerte verführerisch, und unbewusst trat ich einen Schritt nach vorne. Eine Vogelstimme kreischte auf. Da bist du ja endlich! , dachte ich freudig und verlor im selben Moment den Halt. Ich rutschte und ruderte hilflos mit den Armen. Mir wurde schwarz vor Augen, als etwas hart durch mein Gesicht wischte. Es krächzte ganz nah an meinem Ohr. Dann prallte der Rabenkörper mit voller Wucht gegen meine Brust. Ich fiel nach hinten und schlug hart mit dem Kopf auf.  
    Stöhnend betastete ich meinen Hinterkopf.
    Das gab bestimmt eine dicke Beule.  
    Neben mir auf dem Boden saß der Rabe und hatte den Kopf schief gelegt.
    »Danke«, sagte ich atemlos. »Das war echt knapp.«
    Der Rabe wippte mit dem Kopf hin und her.
    »Du musst mich ja für ganz schön blöde halten, oder?«
    Nickte er etwa? Ich riss die Augen auf. Das hatte ich mir doch sicher nur eingebildet! Schwankend kam ich auf die Beine und hielt mir die Hände an den pochenden Schädel. Was für ein Glück, dass der Rabe sich genau diesen Augenblick für seine Attacke ausgewählt hatte.
    »Heute hast du dir echt was verdient«, lobte ich ihn und zupfte an den Schnüren meiner Tasche. Der Vogel hüpfte näher und hackte ungeniert auf meinen Rucksack ein.
    »He, Moment, warte doch! Lass mich erst mal die Schleife aufmachen!« Ich kramte im Inneren nach der Tupperdose, zog den Deckel ab und stellte sie ihm hin. Sofort pickte er sich die kalten Fritten heraus.
    »Du siehst schon viel besser aus. Langsam wachsen deine Federn nach.«
    Der Rabe reagierte nicht, sondern fraß weiter.
    »Ich hoffe, du bist damit zufrieden. Nächstes Mal bring ich dir etwas Fleisch mit, wenn du willst.«
    Das Tier hob den Kopf und gab einen undefinierbaren Laut von sich. Es klang wie das Quietschen einer Bremse.
    »Ich bin übrigens Isa-Isabeau.« Ich hatte keine Ahnung, warum ich meinte, mich ihm vorstellen zu müssen, aber immerhin hatte mich dieses Tier gerade vor einem üblen Sturz in die Tiefe bewahrt und ich verspürte ein starkes Gefühl der Dankbarkeit.
    »Du bist ziemlich schlau«, lobte ich ihn. »Für einen Vogel.«
    Er drehte sich um und zeigte mir die kalte Schulter.
    »Oh, habe ich dich beleidigt? Das tut mir leid. Natürlich nicht nur für einen Vogel.« Ich musterte ihn eingehend. Er war wirklich groß, schien mir dabei aber noch sehr jung zu sein. Sein Gefieder war stumpf, was auch auf eine Erkrankung hindeuten konnte und hatte noch nicht diesen schwarzen, metallischen, fast stahlblauen Glanz. Die Flügel waren krähenartig, seine Augen noch blau.
    »Ich würde dich gerne etwas fragen. Da du ja so clever bist«, fügte ich schnell hinzu. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen.
    »Hast du Alexej gesehen?«
    War ich eigentlich vollkommen plemplem?
    Ich saß hier auf einem Berg in der Wildnis, fütterte einen Raben mit Fritten und stellte ihm Fragen, als erwartete ich tatsächlich eine Antwort! Ich musste mir den Kopf wohl doch heftiger angeschlagen haben.
    Der Rabe hielt im Fressen inne. Er blinzelte.
    »Hast du ihn gesehen?«, wiederholte ich und schämte mich gleichzeitig dafür.
    Er sperrte den Schnabel auf und krächzte einmal kurz.
    Was hatte ich denn erwartet?
    Er krähte wieder, es hörte sich an wie › Krii‹ - ›Aaakrii ‹. Dann kürzer, als übe er noch:  
    » Aki, Aki, Aki .«  
    Enttäuscht ließ ich mich auf den Boden fallen. »Tut mir leid, ich glaube ich bin doch ein wenig angeschlagen. Du kannst nichts dafür«, sagte ich und kippte die Reste seines Essens auf den Boden. Der Rabe beobachtete mich neugierig und hüpfte auf mich zu.
    » Aki, Aki «, krähte er eindringlich.  
    »Du bist wirklich lieb. Ich danke dir für deine Hilfe. Ich werde mich jetzt besser wieder auf den Heimweg machen und unterwegs noch meiner Arbeit nachgehen, damit es nicht auffällt, dass ich mir mit dir eine schöne Zeit gemacht habe.«
    Da sprang er auf einmal nach vorne und zwickte mich in das Hosenbein.
    »He, du Frechdachs, lass das!« Ich kicherte. »Wir sehen uns ja morgen

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