Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
ihre Frage fürs Erste. Sie löschte die Kerze, damit deren Schein Raven nicht unnötig störte, und ging hinaus. Wenn er erwacht war, würde sie einfach die Fensterläden öffnen, um Licht und frische Luft hereinzulassen.
Vor der Tür blieb Kara verwundert stehen. Drei gesattelte Pferde standen an Pflöcken vor dem Haus angebunden. Gestern waren die Tiere noch nicht da gewesen, da war sie sich sicher. Möglicherweise gab es auch einen Stall hinter dem Haus, wo Jorin die Pferde untergebracht hatte. Na ja, Hauptsache, sie mussten den weiteren Weg nicht zu Fuß antreten. Wo auch immer er sie hinführen würde ... Kara zuckte mit den Schultern und verschwand hinter den Bäumen. Sie sollte sich hier draußen beeilen, damit sie wieder bei Raven sein konnte, wenn er zu Bewusstsein kam.
21
Stiche, Schläge, Schnitte, versengtes Fleisch. Unsägliche Schmerzen, immer und immer wieder. Dunkelheit, höhnische Worte und die Angst, welches Werkzeug der Folterknecht und die Fürstin als Nächstes ausprobieren würden, um ihn zum Sprechen zu bringen.
Plötzlich änderte sich etwas - die Schmerzen bekamen eine andere Form. Flüssiges Feuer schoss wie ein reißender Strom durch seinen Körper. Verzweifelt versuchte er die Augen zu öffnen, bevor es ihn innerlich verbrannte.
Als es ihm endlich gelang, brach seine Welt endgültig zusammen. Kara saß neben ihm. Sie war es, die ihm dieses Mal den Schmerz zufügte! Enttäuschung und Trauer rollten über ihn hinweg. Keine Qual, die ihm bisher zugefügt worden war, konnte sich daran messen.
»Kara.« Voll Bitterkeit flüsterte er ihren Namen, dann schloss er die Augen wieder. Sie anzusehen konnte er nicht mehr ertragen.
Kara erwiderte etwas, aber er hörte ihr nicht zu. Fürstin Ylda und ihre Tochter hatten ihr Ziel erreicht: Sie hatten nicht nur seinen Körper gebrochen, sondern auch seine Seele.
Unerbittlich flutete das Feuer weiter durch ihn hindurch. Seine Haut, seine Muskeln und seine Knochen bäumten sich dagegen auf, sein Geist jedoch wehrte sich nicht mehr. Es gab nichts mehr, wofür es sich zu kämpfen lohnte.
Mit einem Mal endete die alles verschlingende Hitze und etwas anderes trat an ihre Stelle. Sanfte Wärme, einer Liebkosung gleich, umschloss ihn. Ein Gefühl von Vertrautheit und Nähe, die jede Furcht von ihm abfallen und ihn ruhig werden ließ. Es gab keinen Zweifel, was dieser wunderbare Zustand bedeutete: Er starb. Die Göttin holte ihn zu sich, umgab ihn mit Geborgenheit und spendete Trost.
Ja, sein irdisches Leben war endgültig vorbei. Es gab keinen Grund, darum zu trauern.
Raven erwachte in Finsternis. Sofort spürte er die Schmerzen wieder und nahm die Kälte der steinernen Mauern um ihn herum wahr. Also war er immer noch im Kerker der Burg von Tharwyn – und demnach nicht tot. Nicht einmal die Göttin schien Erbarmen mit ihm zu haben, oder sie legte keinen Wert auf seine armselige Anwesenheit in ihrem himmlischen Reich.
Vorsichtig tastete er neben sich, doch niemand war da. Besser gesagt: Kara war nicht da. Zu Beginn der Folter hatte er sie herbeigesehnt, damit sie ihn rettete. Als sie schließlich erschienen war, hatte sie ihm nichts gebracht als neue Pein. Er merkte, wie bei dem Gedanken an sie Tränen in seinen Augen brannten. Kara hatte ihn hintergangen, ihn glauben lassen, sie liebte ihn, und er war auf sie hereingefallen. Er war ein Narr gewesen, ihr zu vertrauen! Einst hatte er sie ausgenutzt, um den Tempel auszuspionieren, und nun hatte sie es ihm mit gleicher Münze heimgezahlt. Sie hatte ihr Spiel perfekt gespielt, so wie er damals das seine.
Das Geräusch einer sich öffnenden Tür ließ ihn aufhorchen. Holte der Folterknecht ihn erneut? Bei der Vorstellung, eine weitere Tortur erleiden zu müssen, beschleunigte sich sein Atem und er betete, dass dies nicht passieren würde.
Schwaches Tageslicht fiel in den Raum und er schloss geblendet die Augen. Die Tür fiel zu und Schritte näherten sich durch das Dunkel.
»Raven, bist du wach?«
Kara! »Bleib weg von mir!«, stieß er zornig hervor und stützte sich auf den Unterarm.
Sie gab einen überraschten Laut von sich und blieb stehen. »Ist alles in Ordnung?«
»Das wagst ausgerechnet du , mich zu fragen?« Glaubte sie ernsthaft, er könnte sich nicht mehr an ihre Peinigungen erinnern?
»Ich ... ich habe alles getan, was ich konnte«, stammelte sie.
»Ich weiß«, entgegnete er harsch. »Doch scheinbar hast du dich nicht genug angestrengt, denn ich lebe noch.«
»Ja, aber das war
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