Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
Dass Jorin und Kara sich über seine Fähigkeiten als Mann unterhalten hatten, wollte er sich lieber nicht weiter vorstellen. Er nahm sie am Arm und zog sie ein Stück abseits der anderen, so dass nur sie seine Worte verstehen konnte. »Wir werden wohl nicht umhinkommen, unsere Erstgeborene nach deiner Mutter zu benennen«, erwiderte er und hoffte, dass sie verstand, was er damit zum Ausdruck bringen wollte.
Der Glanz in ihren Augen war Antwort genug. Raven hätte nichts dagegen gehabt, sich sofort um eine Namensträgerin für Ylda zu bemühen. »Aber selbst wenn wir ihr eine Enkeltochter schenken, wird Ylda mich wohl nie in ihr Herz schließen«, fuhr er fort. »Schade, dass ich deinen Vater nicht mehr kennen lernen kann, Kara. Du musst ganz und gar nach ihm geraten sein.«
Sie nickte. »Ich habe ihn sehr geliebt und er mich auch.« Leise setzte sie hinzu: »Du musst deinem Vater ebenfalls sehr ähnlich sein.«
»Ja, so scheint es«, erwiderte er dumpf. »Allerdings empfand er keine Liebe für mich.« Ob sein Vater sich jemals gefragt hatte, was aus seinem erstgeborenen Sohn geworden war?
»Doch, ich denke, Wegon hat dich geliebt«, widersprach Kara, »auf seine Art.«
Als er sie fragend ansah, erklärte sie: »Er hat dich nach deiner Geburt nicht getötet, so ließ er immer eine Hintertür für dich offen. Auch Heron scheint nicht sicher gewusst zu haben, dass du sein Halbbruder bist. Euer Vater verschwieg es ihm, um dich zu schützen.«
Raven senkte den Kopf. »Ich muss darüber nachdenken und mit meiner Mutter reden.«
»Lass dir Zeit.« Sanft strich sie über sein Haar. »So viele Dinge haben sich heute verändert, es wird dauern, bis alles seinen rechten Platz findet.«
Lächelnd hob er den Blick. »Du bist bei mir, und damit ist meine Welt vollkommen in Ordnung.«
Kara schlang ihre Arme um ihn und mit ihrem Kuss verschwand seine Anspannung. Was immer die Zukunft bringen mochte, sie würde bei ihm sein.
Unvermittelt ließ Kara ihn wieder los und nahm das Amulett von ihrem Hals, das sie verborgen unter ihrem Kleid getragen hatte. Sie betrachtete die Vorderseite mit der Frauenhand im Feuer, dann wendete sie die Bronzescheibe und blickte auf den Raben mit dem Schwert.
»Oft habe ich mich gefragt, was die Rückseite wohl genau bedeutet. Niemand konnte es mir richtig sagen«, erklärte sie ihm. »Jetzt weiß ich es und kann beruhigt das Flammenamulett meiner Nachfolgerin überlassen.«
Sie nahm seine Hände fest in die ihren. »Ich liebe dich, mein Rabenkrieger. Lass die Dunkelheit hinter dir und beginne mit mir ein neues Leben – in der Sonne!«
Epilog
Ein Jahr später
Er galoppierte auf seinem Hengst durch buntes Laub und die Sonne wärmte seinen Rücken. Ihr helles Licht brach sich in dem funkelnden Schwert in seinem Gürtel und den Waffen der Kriegerschar, die ihn begleitete. Sie ritten nach Hause. Scherzworte flogen zwischen ihm und den Männern hin und her und verrieten die gute Stimmung, in der sich alle befanden.
»Schau, Raven«, rief Beron, als sie sich der Festung Sartain näherten. »Unsere Gemahlinnen und deine Mutter sitzen im Hof und genießen den schönen Herbsttag.«
»Vermutlich warten sie auf die Gauklertruppe. Orwyn hatte ja im Frühjahr versprochen, uns um diese Jahreszeit wieder einen Besuch abzustatten.« Raven grinste. »Aber wie es aussieht, müssen die Damen vorerst mit uns vorlieb nehmen.«
Beron lachte und der silberne Reif um seinen Hals schimmerte. Raven war froh, dass der Tempelwächter das Angebot, sein Hauptmann zu werden, angenommen hatte. Menwin war aus seiner Bewusstlosigkeit nicht mehr erwacht. Selbst wenn es so gewesen wäre, hätte er dessen Dienste nicht weiter in Anspruch genommen.
Als sie in den Hof der Festung einritten, winkte ihnen Tomin zu, der als Verwalter der Burg das Weinkeltern beaufsichtigte. Fröhlich erwiderte Raven seinen Gruß. Es hatte keinen Ort gegeben, an dem er sich so wohl gefühlt hatte wie im Tempel. Und das hatte nicht an den steinernen Gemäuern gelegen, sondern an den Menschen, die dort zu seinen Freunden geworden waren und die nun mit ihm und Kara in Sartain lebten.
Kara. Ein Lächeln erschien auf Ravens Gesicht. Eilig stieg er vom Pferd und ging auf seine junge Gemahlin zu, die mit Edna und seiner Mutter zusammen auf einer Bank vor dem Herrschaftsgebäude saß. Dass Kara sich so gut mit Mana verstand, freute ihn sehr. Die ältere Frau schien der jüngeren Freundin, Vertraute und Ratgeberin zugleich geworden zu sein.
Er küsste
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