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Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin

Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin

Titel: Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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dass es im Tempel eine Seherin gab, doch in seiner Vorstellung war das immer eine verklärt wirkende, schwermütige und vor allem ältere Frau gewesen. Einem lebenslustigen und jungen Menschen wie Kara hätte er diese Aufgabe ehrlicherweise nie zugetraut. Trotzdem kam er nicht umhin, sie bewundernd anzusehen.
    Kara, die seinen Blick bemerkte, stöhnte. »Schau mich nicht an, als wäre ich die Göttin persönlich!«, beschwerte sie sich. »Es reicht, wenn das morgen alle anderen machen. Und bevor du fragst: Ich habe es dir verschwiegen – und auch den anderen verboten, es dir zu sagen –, weil ich genau diese Reaktion befürchtet habe.« Milder setzte sie hinzu: »Aus allen unverheirateten Frauen, die im Tempel leben, bestimmt die Göttin die Seherin. Niemals hätte ich gedacht, die Große Mutter würde mich dafür auswählen. Seit dem Frühjahr bin ich die Seherin und habe noch Schwierigkeiten mit dieser Aufgabe. Ich meine damit nicht, das Feuer zu befragen, sondern mit den Erwartungen der Besucher umzugehen.«
    Erneut verschränkte sie die Arme vor ihrem Körper. »Die Menschen kommen mit der Hoffnung, dass ihre Fragen gut beantwortet werden. Aber das ist nicht meine Entscheidung, sondern die der Göttin. Es betrübt mich, wenn ich die Männer und Frauen in ihr Unglück zurückkehren lassen muss, dennoch kann ich nichts daran ändern. Manche verstehen das nicht und versuchen, mich mit Geschenken oder Worten milde zu stimmen. Andere wiederum fürchten sich regelrecht vor mir: Sie glauben, ich könnte im Namen der Göttin einen Fluch über sie sprechen.«
    Traurig schüttelte Kara den Kopf. »Die Macht, jemanden zu verfluchen, besitze ich gar nicht! Ich bin nur ein Medium, das das Feuer mit seiner Lebenskraft zum Sprechen bringt, damit die Göttin uns ihren Willen mitteilen kann.« Zerknirscht sah sie ihn an. »Bist du mir böse, weil ich es dir nicht gesagt habe?«
    Sofort beruhigte Raven sie mit einer Handbewegung. Kara ahnte ja nicht, was er ihr alles verschwieg! Dass sie die Seherin war, war eine wichtige Mitteilung, die er ... Raven hielt die Luft an, denn eine Befürchtung traf ihn mit einem Schlag: Ob Kara das Feuer auch schon nach ihm befragt hatte und sein Geheimnis längst kannte? Waren sie auf den Wehrgang gestiegen, damit er nicht fliehen konnte, wenn die Tempelwächter ihn gleich gefangen nahmen?
    Einmal mehr schien Kara seine Gedanken zu erraten. »Ich habe das Feuer nach dir befragt.«
    Ravens Körper spannte sich an. Sollten sie ihn überwältigen wollen, würde er es seinen Gegnern nicht leicht machen!
    »Leider habe ich in den Flammen nichts gesehen«, fuhr Kara fort und zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Als Seherin bin ich blind für mein eigenes Schicksal und das der Menschen, die ... die mir etwas bedeuten.« Unsicher betrachtete sie ihn. »Es tut mir leid, ich hätte dir gerne gesagt, wer dich überfallen hat.«
    Das wüsste ich auch gerne , dachte Raven. Seine Anspannung verschwand und er lächelte – von Kara drohte ihm keine Gefahr. Überhaupt stand sein Aufenthalt in diesem Tempel unter einem guten Stern. Das konnte nur bedeuteten, dass die Göttin seine Pläne weiterhin befürwortete.
    Kara, die sein Lächeln als Beweis zu nehmen schien, dass er ihre Entschuldigung akzeptierte, blickte zufrieden zu ihm auf. »Ich habe dich auf die Mauer geführt, weil man hier so gut den Sonnenuntergang beobachten kann.« Sie trat einen Schritt auf ihn zu und zeigte auf die Gebirgskette im Westen. »Ich liebe diesen Anblick, er hat etwas Friedliches.«
    Raven nickte eifrig, obwohl er der Abendsonne gerade weniger Beachtung schenkte als Kara.
    »Leider sind die Zeiten nicht friedlich«, sprach sie weiter und Raven horchte auf.
    »Theon lässt mich seit zwei Wochen jeden Abend ins Feuer sehen. Er befürchtet einen Angriff auf den Tempel.«
    Ruckartig drehte er den Kopf zu ihr. Das waren weitere aufschlussreiche Neuigkeiten.
    Zum Glück ahnte Kara nichts von seinem tieferen Interesse, sondern hielt es wohl für Besorgnis. »Vielleicht hast du gehört, Fürst Wegon von Sarwen ist vor kurzem überraschend verstorben«, erklärte sie. »Er und Ylda, die Fürstin Torains und Schutzherrin dieses Tempels, waren Feinde – es ging um den rechtmäßigen Besitz der Silberminen und dieses Tempels. Bis auf kleinere Grenzscharmützel ruhen die Auseinandersetzungen glücklicherweise schon längere Zeit, doch Theon glaubt, dies könne sich ändern. Heron, Wegons Sohn, gilt als machthungrig und unberechenbar. Der

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