Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
diesen Häusern«, erklärte Kara und blieb vor einer Tür stehen. »Das ist dein Zimmer«, sagte sie und machte eine auffordernde Handbewegung.
Raven drückte die Tür auf und trat ein. Der Raum war klein, nur ein Bett, eine Truhe und ein Stuhl standen darin. An einem Haken in der Wand hing eine Talglampe und in einer Ecke befand sich eine Feuerstelle. Der Fußboden war aus Stein, das Fenster mit Holzläden versehen.
»Ich weiß, es sieht kahl aus. Wenn du dich entscheidest, hier zu bleiben, kannst du weitere Möbel bekommen: einen Tisch, einen Teppich oder einen zweiten Stuhl«, erklärte Kara eifrig. »Und wenn es dir zu einsam ist, kannst du mit einem anderen Mann zusammenziehen.« Sie lächelte. »Oder du heiratest: Die größten Räume gehören den Familien. Sollte dir also eine Frau gefallen ...« Kara verstummte und sah verlegen zu Boden. Als sie wieder aufblickte, war der Glanz aus ihren Augen verschwunden. »Wir sehen uns morgen beim Frühstück«, murmelte sie. »Schlaf gut.«
Erschrocken nahm Raven den traurigen Ausdruck wahr, der in ihr Gesicht getreten war. Was bedrückte Kara nur? Von einem Augenblick auf den nächsten schien sie jede Fröhlichkeit verloren zu haben – eine Veränderung, die ihm nicht gefiel. Trug er daran Schuld? Oder hing es mit dem zusammen, was Songan und Xalva beim Abendessen gesagt hatten? Gerne hätte er Kara nach dem Grund für ihre plötzliche Traurigkeit gefragt, aber er wusste nicht, wie er es anstellen sollte.
So hob er lediglich die Hand zum Gruß und sah zu, wie sie mit hängenden Schultern das Zimmer verließ.
6
Am nächsten Morgen war wieder ein Platz neben Kara in der Speisehalle frei. Zielstrebig ging Raven auf sie zu, bevor ihm im letzten Moment noch Songan dazwischen kommen konnte. Er grüßte Beron und Tomin, die ebenfalls am Tisch saßen, ließ sich neben Kara nieder und betrachtete sie prüfend. Die junge Tempeldienerin war auffallend blass. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr.
Kara wünschte ihm einen guten Morgen, wich dann aber seinem Blick aus und verfiel in ein für sie untypisches Schweigen. Ihren Teller, der unbenutzt vor ihr stand, ignorierte sie. Beron und Tomin waren in ein lebhaftes Gespräch vertieft und schienen nicht zu bemerken, dass Kara nichts aß, doch Raven erinnerte sich an Songan und Xalvas Worte.
Er nahm ein Stück Brot aus dem Körbchen, beschmierte es dick mit Süßrahm und schnitt die Scheibe in kleine Rechtecke. Anschließend nahm er eine Ecke Käse und würfelte sie. Zum Schluss setzte er die Käsewürfel auf die Brotstückchen, so dass kleine Türmchen entstanden. Zufrieden betrachtete Raven sein Werk. So hatte ihn seine Mutter immer zum Essen verführt, wenn er keinen Appetit verspürt hatte. Vorsichtig hob er seinen Teller hoch und stellte ihn vor Kara.
Kara sah ihn verblüfft an, machte jedoch keine Anstalten, zu essen.
Raven warf ihr einen strengen Blick zu und wies auf die Türmchen. Schließlich gab sie ihren Widerstand auf und nickte.
»Also gut, ich esse.« Sie steckte sich eines der Türmchen in den Mund, dann reichte sie ihm ihren leeren Teller und er begann, sich selbst ein Frühstücksbrot zuzubereiten. Hin und wieder wandte er ihr den Kopf zu, um zu kontrollieren, dass sie wirklich alles aß, was sie jedes Mal mit einem Augenrollen quittierte.
Am Ende hielt sie ihm ihren Teller vor die Nase. »Bitteschön, alles leer!«, erklärte sie ergeben.
Er nickte zufrieden und endlich erschien auf Karas Gesicht wieder das altbekannte Lächeln. »Wie hast du geschlafen, Raven?«, erkundigte sie sich.
Er bedeutete ihr mit der Hand, dass alles gut gewesen war, was sie erfreut zur Kenntnis nahm. »Hast du eigentlich noch Kopfschmerzen?«, fragte sie und strich mit den Fingerkuppen über die Wunde an seiner Stirn.
Raven unterdrückte ein Keuchen. Das Dröhnen in seinem Kopf war längst verschwunden. Wenn ihn etwas schwindelig machte, dann Karas Berührung – hauchzart und dabei so durchdringend, dass ihm der Atem stockte. Schnell schüttelte er den Kopf, damit sie verstand, dass er keine Schmerzen mehr verspürte.
»Das ist gut.« Sie ließ ihre Hand sinken und erhob sich. »Ich muss jetzt in den Tempel gehen, Theon erwartet mich dort.«
»Wir müssen auch los, Raven«, erklärte Tomin, der sein Gespräch mit Beron beendet hatte, und stand ebenfalls auf. »Heute helfen wir den anderen Knechten bei Ausbesserungsarbeiten an den Gästehäusern. Es wird höchste Zeit dafür, denn am Abend werden die ersten Besucher
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