Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
Tempelherr befürchtet, der junge Fürst könnte den Tempel angreifen.«
Das wird Heron nicht , hätte Raven sie gerne beruhigt. Aber das konnte er ihr nicht mitteilen, ohne sich selbst zu verraten. So schüttelte er nur entschieden den Kopf.
Kara nickte. »Da ich im Feuer keine Hinweise finden kann, bin ich ebenfalls überzeugt, Theon irrt sich. Trotzdem ist Vorsicht angebracht. Da wir ohne Unterstützung den Truppen Herons nicht lange standhalten könnten, überlegt Theon, sicherheitshalber Krieger von Ylda anzufordern und im Tempel zu stationieren.«
Nein! Raven musste an sich halten, es nicht laut auszusprechen. Ein solches Vorgehen würde Herons Misstrauen bestätigen. Erneut schüttelte er den Kopf.
»Wie gesagt, es gibt keine Anzeichen für einen Angriff Herons, und auch das Erscheinen des Raben ist für mich ein gutes Omen. Trotzdem, irgendetwas beunruhigt mich, auch wenn ich es nicht benennen kann.« Sie seufzte. »Wahrscheinlich ist es nur die Aussicht auf den morgigen Tag.«
Raven nickte. Gut, dass Kara ihren Gefühlen nicht mehr vertraute. Denn es gab wirklich einen Grund für ihr Unbehagen – ihn .
»Es wird dunkel, wir sollten zurückgehen«, erklärte sie. »Danke fürs Zuhören, Raven.« Fröstelnd schlang sie die Arme um ihren Körper und ging zur Treppe.
Gedankenverloren folgte er ihr. Sein schlechtes Gewissen nagte an ihm, obwohl es unbegründet war. Die Ergebnisse seiner Nachforschungen würden Heron überzeugen, dass vom Tempel keine Gefahr ausging und er keinen Feldzug unternehmen musste. Raven nickte unmerklich. Sein Schwindel war zum Besten für alle, die Lügen waren der Preis, den er zu zahlen hatte.
Außerdem, tröstete er sich, würde Kara nie von seinem falschen Spiel erfahren. Sie würde glücklich bis ans Ende ihrer Tage im Tempel leben und keinen Gedanken mehr an ihn verschwenden, wenn er gegangen war. Er verzog das Gesicht. Warum störte ihn die Tatsache, dass Kara ihn vergessen würde, mehr als seine Schuldgefühle?
7
Der Dampf des heißen Wassers stieg in dichten Schwaden empor und mit ihm der schwere Duft des Badeöls. Kara saß in einem hölzernen Zuber und atmete tief durch die Nase ein. Die Badezusätze sollten sie beruhigen und ihren Geist freimachen für die Worte der Göttin, die sie bald hören durfte. Aber was die letzten beiden Male hervorragend gewirkt hatte, versagte heute völlig. Statt bereit zu werden für die himmlischen Offenbarungen, beschäftigte sich ihr Kopf mit einem sehr irdischen Problem – Raven.
Es war wirklich zum Verzweifeln. Seit sie ihn vor drei Tagen vor der Tempelmauer gefunden hatte, musste sie ununterbrochen an ihn denken. Zuerst war es sein Aussehen gewesen, das sie gefangen genommen hatte: sein kantig geschnittenes Gesicht, das durch den leichten Bartschatten noch männlicher wirkte, sein muskulöser Körper und das dunkelblonde Haar, das offen auf seine Schultern fiel. Doch je näher sie Raven kennenlernte, desto mehr schätzte sie sein Wesen. Dabei hatte er kein einziges Wort gesagt. Es war der Blick seiner tief blauen Augen, seine Gesten und natürlich sein Lächeln, die dafür gesorgt hatten, dass sie sich Hals über Kopf in ihn verliebte.
Sie seufzte vernehmlich. Ob er sich auch für sie interessierte? Er trug keinen Ring am Finger, von daher ... Verärgert über sich selbst schlug Kara auf die Wasseroberfläche und das Badewasser spritzte nach allen Seiten über den Rand des Zubers. Raven war bestimmt nicht in den Tempel gekommen, um eine Frau zu finden. Sie sollte das am besten wissen, schließlich hatte sie sich für den Dienst im Tempel entschlossen, um einer Zwangsheirat zu entgehen. Dennoch zog Raven sie geradezu magisch an. Sie tat alles, um in seiner Nähe zu sein.
Er hingegen schien lediglich freundschaftliche Gefühle für sie zu empfinden, aber das war nicht verwunderlich. Wer will schon einen Feuerkopf mit Katzenaugen als Gemahlin? , hatte ihre Schwester mehr als einmal spöttisch bemerkt. Kara verzog den Mund. Die Heiratskandidaten, die ihre Mutter für sie ausgewählt hatte, waren nur auf die Vorteile erpicht gewesen, die ihnen eine Ehe mit ihr eingebracht hätten. Mit dem Eintritt in den Tempel hatte sie jedoch ihr früheres Leben bewusst hinter sich gelassen. Sie war nun eine Tochter der Göttin und alles, was sie zu bieten hatte, war sie selbst.
Kara fuhr sich mit den nassen Händen über ihr Gesicht. Raven hatte ihr zu verstehen gegeben, die Beweglichkeit seines Armes und Beines sowie seine Stimme bei einem
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