Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
trug, sie würde ihre Meinung über ihn niemals ändern. Zu deutlich hatte sie ihm zu verstehen gegeben, dass die Beweggründe für sein Handeln sie nicht interessierten. Vermutlich war es besser, wenn sie die Wahrheit niemals erfuhr – sie würde ihn nur für eine weitere Lüge hassen. Er musste sich damit abfinden, von ihr für einen geldgierigen Verräter gehalten zu werden. Was er nicht hinnehmen musste, war, sie frieren zu sehen.
»Kara?«, fragte er leise und ging auf sie zu. Sie antwortete nicht, obwohl sie mit Sicherheit noch wach war. Nun gut, er würde bestimmt gleich eine Reaktion bekommen. Da er ihr seinen Umhang nicht geben konnte, weil er die Nacht sonst nicht überleben würde, blieb nur eine Möglichkeit.
Er ging auf die Knie, streckte sich hinter ihr zum Liegen aus und schloss seinen gesunden Arm um sie. Sofort spürte er, wie sich Karas Körper unter seiner Berührung versteifte. Sie schlief also tatsächlich nicht!
»Was soll das, Raven?« Ihre Stimme klang wütend, doch ihm entging der furchtsame Unterton nicht.
»Keine Angst, ich will dich nur wärmen.«
»Stimmt«, gab sie bissig zurück, »ich vergaß, zu etwas anderem bist du nicht in der Lage.«
Er setzte zu einer harschen Erwiderung an, ließ es jedoch sein. Solche beleidigenden Antworten passten nicht zu der Kara, die er kannte. Mit seinem Verhalten musste er sie weit mehr verletzt haben, als befürchtet. Gerne hätte er sie tröstend gestreichelt, aber er unterdrückte den Wunsch, um ihren Widerstand nicht noch zu verstärken. So rückte er nur etwas dichter an sie heran. Sie schnaubte unwillig, sagte allerdings nichts. Die von seinem Körper ausgehende Wärme schien sie zu überzeugen, ihn trotz ihrer Abneigung bei sich zu dulden.
Zufrieden, sein Ziel erreicht zu haben, schloss Raven die Augen. Karas Nähe war schön und es gefiel ihm, sie im Arm zu halten. Nun ja, genau genommen hielt er sie nicht im Arm, sondern bewahrte sie lediglich vor dem Erfrieren und hinderte sie zusätzlich an einem Fluchtversuch, den sie aller Voraussicht nach für die Nacht plante. Trotzdem war es ein nie gekanntes, wunderschönes Gefühl. Natürlich hatte er schon öfter bei einer Frau gelegen, aber die Zusammenkünfte mit den Huren im Dorf waren kurz und zweckmäßig gewesen. Hier mit Kara zu liegen war etwas ganz anderes. Sie bei sich zu wissen und ihr Wärme spenden zu können, berührte ihn so tief, wie er es nie für möglich gehalten hätte.
Der Wunsch, sie zu küssen, schoss wie flüssiges Feuer durch seinen Körper. Schnell versuchte er an etwas zu denken, das ihn ablenkte. Leider reichten selbst das Bergwerk und reihenweise Schöpfeimer nicht aus, ihre Gegenwart zu verdrängen. Wie gut, dass zwei dicke Umhänge sie voneinander trennten, bevor es zu peinlich für ihn geworden wäre. Andererseits war die Vorstellung, Kara erführe, dass Menwin mit seiner Aussage über seine Männlichkeit Unrecht hatte, verlockend ... Nein! Er achtete Kara zu sehr, um diese Situation in irgendeiner Weise auszunutzen. Und solange sie glaubte, er wäre kein echter Mann, würde sie seine Nähe auch eher zulassen. Er atmete tief durch, um wieder die Kontrolle über sich zu erlangen, doch das erwies sich als Fehler. Der Duft von Karas Haut und ihrem Haar stieg ihm in die Nase. Ihr Geruch betörte seine Sinne. An Schlaf, den er dringend notwendig hatte, war so überhaupt nicht zu denken. Raven fluchte innerlich. Das würde eine verdammt lange Nacht werden ...
11
»Kara, wach auf!«
Kara blinzelte schläfrig, dann war sie mit einem Schlag hellwach. Vögel zwitscherten und einzelne Sonnenstrahlen fielen durch das Blätterdach auf den Waldboden. Oh nein, sie war trotz ihres Fluchtvorhabens eingeschlafen! Verärgert wollte sie sich aufrichten, da bemerkte sie, dass ihre Finger Ravens Hand umklammert hielten. Wut und Scham färbten ihr Gesicht rot. Jetzt glaubte dieser elende Kerl bestimmt, sie habe die Nacht mit ihm genossen! Hastig ließ sie seine Hand los, richtete sich auf und rückte ein Stück weg von ihm.
Raven stand auf und reichte ihr den Wasserschlauch. Er wirkte müde und dunkle Schatten lagen unter seinen Augen. »Ich suche nach etwas Essbarem zum Frühstück«, erklärte er knapp und ließ sie alleine.
Alleine war nicht das richtige Wort. Kaum drei Schritte von ihr entfernt saß der Rabe auf dem Boden und beobachtete sie aufmerksam. Wütend streckte Kara ihrem ungeliebten Bewacher die Zunge raus. Das war kindisch, doch im Moment kam sie sich tatsächlich
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