Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
Brust. Der Hauptmann rettete sich mit einem Sprung beiseite, geriet beim Aufkommen allerdings ins Straucheln. Scheinbar schmerzte die Wunde am Bein ihn doch mehr als es den Anschein gemacht hatte. Sofort führte Raven die nächste Parade aus, die den Hauptmann noch stärker ins Wanken brachte – und schließlich dazu, zurückzuweichen.
Raven konnte das Gefühl der Genugtuung nicht unterdrücken: Er war es gewohnt, mit einem lahmen Bein zu kämpfen – Menwin nicht. Unablässig griff er nun an und ließ dem Hauptmann keine Atempause. Da er seine Waffe nur einhändig führen konnte, hatte Amartus ihm einst ein Schwert anfertigen lassen, das leichter und kürzer war als gewöhnliche. Zwar war die Wucht der Schläge damit nicht so groß, dafür ließ sich die Waffe wendiger führen als herkömmliche Schwerter. Und diesen Vorteil nutzte er aus: Immer tiefer trieb er seinen Gegner in den Wald hinein, damit die Krieger, sollten sie erwachen, ihrem Anführer nicht sofort zu Hilfe eilen konnten.
Menwin erkannte seinen Plan und wehrte sich verbissen, doch der unebene Waldboden machte es ihm wegen des verletzten Beines zunehmend schwieriger, das Gleichgewicht zu halten. Er keuchte, wurde langsamer und Raven nutzte die Gunst des Augenblickes: Die Schneide seiner Waffe traf Mewnins Schwertarm und hinterließ eine klaffende Wunde. Der Hauptmann fluchte, sein Schwert fiel ihm aus der Hand und er stürzte zu Boden.
Raven trat zu ihm und hielt ihm die Klinge an die Kehle.
Menwin verzog sein Gesicht. »Los, töte mich, Raven!«, stieß er schwer atmend hervor. »Ich an deiner Stelle würde es tun.«
»Ich weiß, aber ich bin nicht wie du – oder Heron. Ich töte keinen Mann, der wehrlos vor mir am Boden liegt.«
Der Hauptmann brachte ein kehliges Lachen zustande. »Mit Barmherzigkeit kommt man nicht zum Erfolg.«
»Dann bleibe ich lieber erfolglos, als meine Menschlichkeit aufzugeben«, erwiderte Raven verächtlich.
»Feigling!« Finster starrte Menwin ihn an. »Ich werde meinen Arm und mein Bein wahrscheinlich nie mehr richtig belasten können. Also töte mich und nenne es meinetwegen Nächstenliebe, weil du mich vor einem lebensunwürdigen Dasein bewahrst.«
»Du bist der Feigling, nicht ich!«, zischte Raven und schüttelte den Kopf. »Mit lahmen Gliedmaßen kann man ein gutes Leben führen. Es sind die anderen, die einen behindern und zum Krüppel ernennen!«
Die Stimmen, die aus dem Lager zu ihnen drangen, wurden lauter. Raven wusste, es blieb ihm nicht mehr viel Zeit. »Deine Männer werden dich bald gefunden haben.« Er wies auf das Schwert, das neben Menwin lag. »Wenn du dir den Tod wünschst, musst du das selbst übernehmen!«
Angewidert wandte er sich ab und hastete durch den Wald davon. Er musste so schnell wie möglich weit weg, die Frage war nur: wohin? Die Begeisterung über den Sieg gegen Menwin verwandelte sich in Ernüchterung. Kara und Jorin würde er zu Fuß nicht einholen, und selbst wenn er ein Pferd hätte, würde er sie in der Dunkelheit nicht finden.
Mit einem Seufzer eilte er weiter durchs Unterholz. So wie es aussah, war der Abschied von Kara früher gekommen als erwartet. Natürlich kannte er das Ziel ihrer Flucht, doch war es unklar, welchen Weg über das Gebirge sie und Jorin wählen würden. Außerdem benötigte Kara seine Hilfe nicht mehr: Der Barde würde gut auf sie aufpassen, bis sie am Fürstenhof angekommen sein würden. Von daher gab es keinen Grund, ihr zu folgen. Außer, dass er Kara sagen wollte, wie leid ihm alles tat und ... dass er sie liebte.
Raven stöhnte. Romantische Geständnisse waren bestimmt das Letzte, was Kara im Moment hören wollte! Krieg gewann man nicht durch Liebe. Er hatte sie befreit, so wie er es sich vorgenommen hatte. Jetzt war es an der Zeit, sie zu vergessen und sich auf ein neues Leben zu konzentrieren. Ein einsames, heimatloses Leben voll harter Arbeit und wenig Freude. Er würde nirgendwo lange bleiben können, falls Heron Verfolger nach ihm ausschicken würde. Über Freunde oder gar eine Familie nachzudenken, war völlig abwegig. Er konnte froh sein, wenn er überhaupt Arbeit und ein Dach über dem Kopf für die Nacht erhielt.
Krak, krak, krak!
Wie angewurzelt blieb Raven stehen. Der Schrei eines Raben! Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Das war nicht irgendein Tier, das war Gorik! Rasch lief er in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. Und tatsächlich, nach einigen Schritten sah er ihn: Der Rabe saß auf dem Sattel eines der
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