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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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ist mit Ba’al? Wie passt er in deine Geschichte?«, fragte Kraeh dazwischen. 
    »Du bist ihm begegnet?«, ein Ausdruck von überraschter Enttäuschung machte sich in dem faltenreichen Gesicht breit. »Das macht die Sache komplizierter …« Der angebliche Gott machte sich nicht einmal die Mühe, zu vertuschen, dass er ein Spiel mit ihm trieb. Das eingebildete Brauenhochziehen und der hochmütige Tonfall fingen an, Kraeh auf die Nerven zu gehen. »Stell dir einfach vor, wie wenig erquicklich Freude ohne Schmerz, Licht ohne Dunkelheit wäre. Um es einfach zu halten: Der eine Gott ist in Wirklichkeit nicht allein. Es waren die Menschen, die ihn vor Urzeiten darauf aufmerksam machten, dass ihm ein Widerpart fehlt. In ihren Albträumen fand er seinen von da an ewigen Rivalen und Freund zugleich. Seine Anhänger wollen das natürlich nicht einsehen, aber die beiden gehören zusammen wie Feuer und Eis. Genau genommen wurden den Nornen also zwei Fäden abgeluchst, jedoch hat nur der dunkle Part dieser Dualität eines seiner Äuglein eingebüßt … Was im Endeffekt durch ihre untrennbare Verbindung auf das Gleiche hinausläuft.« 
    Sich auf den eigentlichen Grund seines Hierseins besinnend, fragte er leichthin: »Noch ein Bier? Ich nehme noch eines.« 
    »Nein danke.« Zu lange hatte Kraeh dem Erzählenden gelauscht. Nachdem ihm der Wirt gesagt hatte, dass er sich um die Bezahlung nicht sorgen müsse, und der Einbeinige erläutert hatte, dass die Fässer in der Nebenstube ohnehin »bodenlos« seien, wollte der Krieger sich bereits davonmachen, als er noch einmal am Arm gepackt wurde. »Du willst sie befreien – mir ist das einerlei. Überhaupt ist mir alles gleich, wie dem Rest von uns!« Die in der Nähe stehenden, die ihn gehört hatten, nickten zustimmend. »Doch bedenke eines: Die Nornen wissen alles. Sprich nicht mehr als einen Satz zu ihnen, sie würden es als Beleidigung auffassen.« Der Griff lockerte sich und Kraeh wand sich los. Zugleich froh, das Schankhaus aufgesucht zu haben wie ihm entkommen zu können, trat er hinaus auf den Marktflecken. 
    Erst jetzt fiel ihm auf, dass die Schneedecke hier draußen wesentlich dünner war als auf der anderen Seite des Flusses. Ebenso befremdete es ihn, zuvor die Mauerreste, die an manchen Stellen beinahe hüfthoch erhalten waren, nicht bemerkt zu haben. Einen Augenblick lang erlaubte er sich, die von Wind und Wetter geschliffenen Überbleibsel, auf denen Eiskristalle in Fugen und Ritzen glitzerten, in seiner Vorstellung zu ihrer einstigen Größe wachsen zu lassen; einem gigantischen Palast für die Herren und Herrinnen der Erde. 
    Plötzlich spürte der Krieger, dass er beobachtet wurde. Die Prostituierte vor dem Freudenhaus winkte ihm einladend zu. Ihr rotblonder Schopf wurde von zwei neben dem Eingang stehenden Fackeln beschienen, sie warfen lodernde Schatten auf ihre von Sommersprossen gesprenkelten runden Wangen, ihre vollen Lippen und das spitz zulaufende Kinn. Ihr Busen war üppig, wie leider auch ihr Hinterteil. Dennoch eindeutig eine Schönheit, wenn man die Umstände bedachte. Sein Blick streifte kurz den Eingang der Höhle, dann ging er jäh auf die nun freudig strahlende Frau zu. Es gab wohl nicht besonders viel Kundschaft dieser Tage, von dem alten Hurenbock, dessen ungemütlicher Gattin er in der Schenke begegnet war, einmal abgesehen. Vielleicht hatte das Freudenmädchen aber auch schlichtweg genug davon, draußen in der Kälte zu stehen. Wortlos nahm sie seine Hand, öffnete die Tür und führte ihn durch einen schummrigen Gang. Unterdrücktes Stöhnen drang an sein Ohr. Am Ende des Flurs angelangt, sperrte sie eine zweite Tür auf, immer noch seine Hand mit ihren ausgekühlten Fingern umschließend. Was er hinter ihr zu sehen bekam, raubte ihm den Atem. 
    Ein neunarmiger Kerzenleuchter von gigantischem Ausmaß beleuchtete so viel nacktes Fleisch, wie er noch nie zuvor an einem Platz versammelt gesehen hatte. Seine Erinnerungen an die bunte Halle in all ihrer Freizügigkeit mutete dagegen an wie ein Bollwerk der Keuschheit. Er hatte einige Schwierigkeiten damit, die sich auf abgewetzten Sitzkissen- und Matratzenbezügen rekelnden Körperteile ihren Besitzerinnen zuzuordnen. Bloße Brustwarzen schmiegten sich an ihresgleichen oder wurden von feuchten Zungen liebkost; forsche Finger gruben sich in nach Lust lechzende Mulden und Spalten; überall gespreizte Schenkel, frohlockende Münder, Leiber an sich pressende Arme. Ungehemmte Lautvariationen schmolzen

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