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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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Stellung der Lächerlichkeit preisgegeben, wenn das gezeichnete Bild von den heruntergekommenen, selbstmitleidigen, kurz gesagt: wenig anrufungswürdigen Göttern, nicht abgemildert würde. 
    Der Alte hatte ihm geduldig gelauscht. Nun sah er ihn lange, fast ein wenig traurig an. Bevor er mit seiner Geschichte begonnen hatte, war ihm bewusst gewesen, dass dieses Gespräch sich irgendwann unumgänglich einstellen musste. In seiner Jugend wäre er hitzköpfig in einen solchen Konflikt gestürzt, hätte sich gar darüber gefreut, bestehende Regeln umzustürzen und altgediente Werte anzugreifen. Doch er hatte in der beachtlichen Zeitspanne, die er auf dieser Welt verlebt hatte, festgestellt, wie wichtig Normen und Hierarchien für jede intakte Gesellschaft waren. Doch es nützte nichts. Er war nicht willens, wider bessere Einsicht zu sprechen – der Skalde hätte diesen Punkt besser nicht noch einmal eigens aufbringen sollen. 
    Die anderen im Raum waren still geworden, begierig auf das anstehende Gefecht der beiden höchsten Instanzen, die sie in der Abgeschiedenheit ihres Dorfes kennen und achten gelernt hatten. 
    »Denke nicht, ich weiche dir aus, Hegferth«, begann der Ohm. Sein Blick war jetzt hart, seine Stimme kühl und unerbittlich. Er wandte sich an alle, wodurch deutlich wurde, dass die folgende Lektion nicht allein dem Skalden galt. »Dass ein Begriff zwei unterschiedliche Dinge ausdrücken kann, leuchtet uns unmittelbar ein … Ich weiß nicht warum, aber der Umkehrschluss fällt wesentlich schwerer. So denken wir immer, Glauben und Wissen bezeichneten unterschiedliche Dinge.« Er ordnete seine Gedanken, die Kürbissuppe war vergessen. »Und nun schließt nicht fälschlich, aller Glaube sei begründet. Was ich euch, was ich dir, ehrwürdiger Skalde, sagen will, ist dies: Alles sogenannte Wissen ist nichts als Glauben – reines Dafürhalten und nichts außerdem.« 
    Der hagere Skalde runzelte die Stirn. Nach einer Weile stummen Nachsinnens ging er auf das Gesagte ein. 
    »Aber wir brauchen Wahrheiten, ob sie fundiert sind oder nicht. Wie sollten wir sonst urteilen?« 
    »Eben darin besteht die Ironie unsres Daseins«, räumte der Greis ein, jetzt wieder versöhnlicher geworden. »Du hast ganz recht, wir müssen handeln und dafür brauchen wir Urteile, doch sollten wir uns zumindest grundsätzlich darüber im Klaren sein, wie wenig endgültig jene ihrer Natur nach sind. Wenn ich über Götter in einer Weise spreche, die dir nicht behagt – was ich gut nachvollziehen kann –, dann ist es nicht mein Anliegen, dir damit zu schaden oder gar mein Dafürhalten jemandem aufzudrängen. Ich erzähle die Geschichte exakt so, wie sie mir zugetragen wurde und wie ich die Ereignisse teilweise mit eigenen Augen gesehen habe.« 
    Hegferth nickte unverwandt, womit er eine angedeutete Entschuldigung zum Ausdruck brachte. Ihm war gerade aufgegangen, dass der Alte, vermutlich, um ihn nicht in Verlegenheit zu bringen, den Namen des Humpelnden ausgespart hatte. Wie er ihn beschrieben hatte, war ihm als Kundigem der Götterwelt klar gewesen, um wen es sich wohl handelte. Nicht zuletzt dieses Taktgefühls wegen wollte er nicht weiter auf seinem Punkt beharren, wie sein Trotz es gefordert hätte. So wechselte er das Thema. Ein vorgetäuschtes Gähnen vorschützend, bewog er kurz darauf die Versammelten, ihre Betten aufzusuchen. Am nächsten Tag müssten die Knaben ausgeschlafen sein für die Apfelernte, mahnte er noch, als die Decken zusammengelegt wurden, Männer, Frauen und Kinder ihre Sachen packten und sich in ihre Hütten aufmachten. 
    Als alle gegangen waren, blieben nur er und der Ohm zurück. 
    Lorenz, der es leid geworden war, seine Pfeife andauernd zu teilen, hatte dem Alten kurzerhand eine eigene geschnitzt, deren Kopf dieser nun, den Skalden beäugend, andächtig nuckelnd anzündete. Noch lange diskutierten sie in jener Nacht, beide bereit, dem anderen gewisse Zugeständnisse zu machen, um sich sofort wieder an anderer Stelle uneins zu sein. Der Skalde appellierte an die Notwendigkeit des Glaubens, während der Alte Verblendung und Fanatismus dagegen hielt. Schließlich hatte niemand den anderen gänzlich überzeugt, doch zeigte sich beim herzlichen Abschiednehmen in den frühen Morgenstunden, wie sehr ein jeder die Debatte und den Scharfsinn des Gegners zu schätzen gewusst hatte. 
    Nachdem der Greis die meiste Zeit des Tages verschlafen und nur ein paar Schritte in der Abendsonne getan hatte, fanden sich alle

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