Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
Vom Netzwerk:
gesprochen hatte, weil ich es nicht wahrhaben wollte. Nach dem zweiten Mal konnte ich der Wahrheit nicht mehr ausweichen:
    Mein Fahrrad war ihm gestohlen worden.
    Oder anders ausgedrückt: Der verantwortungslose Holzkopf hatte sich mein geliebtes Fahrrad stehlen lassen.
    »Mann, du Idiot!«, entfuhr es mir. »Wie konntest du vergessen, es anzuschließen?«
    »Ich habe es immer angeschlossen. Immer! Vielleicht hat der Dieb ja das Schloss geknackt.«
    »Na klar. Du hast es bestimmt angeschlossen, so wie du deins auch immer anschließt. Verflixter Mist! Was soll ich denn jetzt machen?«
    »Wir müssen es der Polizei erzählen.«
    Strix Stimme klang so bedrückt, dass ich bei aller Wut daran denken musste, wie viel Ärger es für ihn bedeuten würde, wenn seine Eltern und die Polizei erfuhren, dass er schon wieder etwas mit einem Diebstahl zu tun hatte. Abgesehen davon, dass seine Eltern nicht einmal wussten, dass er sich mein Rad geliehen hatte. Sie gingen davon aus, dass er die ganze Zeit brav mit dem Bus fuhr.
    Genervt stieß ich die Luft aus. »Morgen früh suche ich die Stadt ab. Vielleicht hat der Dieb es ja irgendwo abgestellt.«
    »Wahrscheinlich ist es derselbe, der das Trekkingrad in meinen Schuppen gebracht hat. Mann, wenn ich den erwische!«
    »Was dann? Willst du ihn verprügeln? Vielleicht ist er dreißig Jahre alt und zwei Meter zehn groß. Außerdem kann es jeder gewesen sein. An der Sporthalle werden oft Räder geklaut. Und wenn du es nicht angeschlossen hattest, dann war es ja praktisch eine Einladung.«
    »Ich hatte es abgeschlossen.«
    »Ja klar.«
    »Es geht mir total auf die Nerven, dass du glaubst, ich hätte es nicht getan. Du tust auch schon so, als ob alles meine Schuld wäre. Sag morgen Bescheid, wenn du es nicht gefunden hast. Dann gehe ich zur Polizei.«
    Er legte auf, ohne sich zu verabschieden. Autsch! Für einen Augenblick war ich in Versuchung, ihn zurückzurufen, um ihm zu sagen, dass es mir leidtat. Andererseits hatte ich auch meinen Stolz. So blöd anmachen musste er mich ja nicht gleich, nachdem er mir diese Hiobsbotschaft überbracht hatte.
    Jetzt wurde mir erst richtig klar, was es bedeutete, wenn wir mein geliebtes Flügelross nicht wiederfanden. Ich würde ganz sicher nicht so bald ein neues Fahrrad bekommen, das auch nur halb so gut und schön war. Das durfte einfach nicht sein. Mein Rad musste wieder her – und wenn ich in jede Garage und jeden Keller der Gegend kriechen musste, um es zu finden.

Knallkekse
    I
ch stellte mir den Wecker für Samstagmorgen auf Sonnenaufgang und wurde vor Aufregung sogar noch vor dem Klingeln wach. Ohne Frühstück und Zähneputzen machte ich mich auf den Weg. Da die Sporthalle mein einziger Anhaltspunkt war, begann ich meine Suche dort. Ich wollte zuerst Straßen, Gärten und Hinterhöfe überfliegen, für den Fall, dass der Dieb das Rad unbedacht abgestellt hatte.
    So kreiste ich in Schleifen über Kinderschaukeln, Mülltonnen, Brennholzstapeln, streitenden Katzen, Sandkästen, Autos, Autos und Autos.
    Ziemlich schnell wurde mir klar, dass ich mir eine Menge vorgenommen hatte. Selbst so eine kleine Stadt wie Rosenrode hatte eine endlose Menge von Garagen und Schuppen.
    Entmutigt ließ ich mich auf einer angenehmen Luftströmung in Richtung Stadtpark treiben, da hatte ich plötzlich das Gefühl, von etwas magisch angezogen zu werden. Rief da etwa mein Rad nach mir? Mit einer eleganten Schraube drehte ich mich aus der Luftströmung heraus und ging in den Sinkflug. Nein, wie ein Fahrrad fühlte es sich nicht an, sondern wie etwas Elsternhaftes. Glitzrig. Oder wie reife Erdbeeren mit kleinen weißen Schnecken. Oder wie die schillernden Federn eines hübschen Männchens oder wie köstliche Erdnüsse, kaltes Bratschnitzel und das nette Pfeifen, zu dem Elstern auch fähig sind, wenn sie nicht gerade keckern.
    Unwiderstehlich zog es mich an, bis ich unten einen Schlaraffenland-Garten entdeckte, wie ein Vogel sich ihn nicht schöner erträumen konnte. Das meiste war zwar abgeerntet, aber ein paar Äpfel hingen noch da, Walnüsse lagen auf dem Boden, Tomaten leuchteten rot unter ihrem Glasdach hervor, und es gab einen wunderbaren Komposthaufen, der sicher von Würmern wimmelte. Die Bäume waren mit glänzenden Folienstreifen geschmückt und in einem kleinen Pavillon stand ein runder Tisch, den ich mir unbedingt aus der Nähe ansehen wollte, denn die Tischplatte war aus bunten Steinchen zusammengepuzzelt. Schön fand ich auch die kleine Schale mit Keksen,

Weitere Kostenlose Bücher