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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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seufzte und nickte. »Ja, sicher. Vielleicht hat sie ja einen guten Einfluss auf dich.«
    Da tat ich einfach mal, als hielte ich das für einen Scherz und lachte.

Mademoiselle Habicht
    M
ademoiselle Habicht reiste mit großem Gepäck an. Sie zog einen dunkelblauen Reisekoffer mit Rollen hinter sich her, den sie nicht allein aus dem Zug heben konnte.
    Auf meine Bitte hin hatte Mama ihr dieses Mal unser kleines Gästezimmer zurechtgemacht. Das war eine wirklich gute Idee gewesen, denn auf diese Weise blieb Jori nach unserer Ankunft erst mal eine ganze Stunde darin verschwunden. Vermutlich räumte sie die unzähligen Sachen aus ihrem Koffer in die Schränke.
    Ich setzte mich in der Zwischenzeit in mein Zimmer, um zu lesen, konnte mich aber nicht auf mein Buch konzentrieren. Nervös nahm ich den Totenkopfring aus der Blechdose, in die ich ihn gelegt hatte, und spielte damit herum. Was Leander wohl trieb? Im Garten konnte ich ihn nicht entdecken. Sollte ich schnell mal in die Kastanie hinüberfliegen? Nein, es war besser, Mama nicht schon wieder zu ärgern.
    Auf den zweiten Blick sah ich in der Kastanie eine große Krähe sitzen. Auf den dritten Blick begriff ich endlich, dass es gar keine Krähe war. So groß und rabenvogelig war nur ein echter Rabe.
    Vor Verblüffung ließ ich den Ring fallen. Dank Oma und Strix kannte ich sogar den wissenschaftlichen Namen des Kolkrabens. Corvus Corax. Sie waren in unserem Land einmal fast ausgestorben und immer noch selten. Bisher hatte ich sie nur in Gefangenschaft gesehen.
    Neugierig öffnete ich das Fenster und beugte mich ein wenig hinaus, damit ich den Raben genauer betrachten konnte. Er blickte zwar in meine Richtung, saß aber so ruhig da, als würde er dösen.
    Dennoch glaubte ich nicht, dass er zufällig in unserem Garten hockte. Die »große Krähe«, die ich schon öfter bemerkt hatte: Das war ganz sicher immer dieser Rabe gewesen. Ob er etwas von mir wollte?
    »Hey, Corvus Corax! Wer bist du?«, fragte ich.
    Er hob den Kopf, gab einen hohl klingenden, tiefen Rabenlaut von sich, Krock, und flog davon, ohne mir die geringste Aufmerksamkeit zu schenken. Also wollte er offenbar nichts von mir.
    Erleichtert hob ich den Totenschädelring auf und legte ihn zurück in die Dose. All die unheimlichen Geschehnisse für mich zu behalten und sie nicht Oma zu erzählen war mir nur gelungen, weil ich im Krankenhaus nicht mit ihr allein gewesen war. Meinetwegen mussten nicht noch mehr Geheimnisse dazukommen. Es war ein Glück, dass ich für den nächsten Tag mit Bubo verabredet war. Mit Strix hatte ich zwar seit dem scheußlichen Freitagabend nicht mehr gesprochen, aber er würde ganz bestimmt auch da sein.
    Ein wenig schwierig war es nur mit dem Weg zu Bubo. Mama und Papa mussten arbeiten und brauchten ihre Fahrräder. Und ich wollte sowieso nicht mit ihnen über das Thema Fahrrad reden, denn sie wussten noch nicht, dass mein Rad verloren gegangen war. Also gab ich am Montagnachmittag der naserümpfenden Jori Omas Fahrrad und flog ihr voraus, damit sie den Weg fand. Seit sie angekommen war, hatte sie die Kopfhörerknöpfe von ihrem MP3-Player nur in Gegenwart meiner Eltern aus den Ohren genommen. Die meisten Leute, die das so machten, behaupteten zwar, dass sie sich trotzdem unterhalten konnten, aber mich nervte es. Und in Joris Fall bedeutete es ganz klar, dass sie ebenso wenig Lust darauf hatte, mit mir zu reden, wie ich mit ihr. Die meiste Zeit schwiegen wir.
    Bei Bubo angekommen hatte Jori vom Radfahren einen roten Kopf. Sie war verschwitzt und sah wütend aus. Möglicherweise war ich ein wenig zu schnell geflogen. Schäckäck. Sie stach mit dem Zeigefinger auf den Klingelknopf ein, als wolle sie ihn umbringen. Drrring, drrring, drrring. Möglicherweise war ich viel zu schnell geflogen. Schäckäckäck. Ich nahm mich sehr in Acht, damit sie mir beim Türschließen keine Feder einklemmte.
    Strix saß schon in Bubos Zimmer, ich hörte ihn das Streifenhuhn begrüßen. Mir hatte Bubo dieses Mal im Bad ein kurzes Sommerkleid seiner Mutter zurechtgelegt. Er drohte mir mit der flachen Hand, bevor er die Tür schloss. »Lass deinen Schnabel vom Schmuck, du kleine Krähe.«
    Unverschämter Blödkauz. Duhummvogel, mäusefressender. Kräckäck. Er lachte vor der Tür, und ich beeilte mich, damit ich ihm richtig die Meinung sagen konnte. Das Kleid hing wie ein lila Müllsack an mir, aber immerhin klaffte es nicht dauernd vorne auf, so wie es der Bademantel getan hatte.
    Strix bemitleidete

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