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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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Kundschafterflug startete.
    Kurz kreiste sie über dem Garten, bevor sie sich absinken ließ und nicht mehr zu sehen war. Mir wurde schlagartig elend vor Sorge um sie. Ich zog Jacke und Schuhe aus.
    Bubo tat dasselbe. »Nicht gut«, stieß er hervor.
    Im selben Augenblick hörten wir den ersten Knall, dann noch einen und Joris halb erstickten Habichtsschrei.
    Strix wandte sich mir zu und streckte die Hand nach mir aus. »Wartet!«
    Aber Bubo und ich waren in der Luft, ehe seine Warnung richtig zu uns durchdringen konnte. Offenbar hatte Bubo den Dreh mit dem Verwandeln nun auch heraus.
    Der Gimpel sang laut und traurig. Unter uns zwischen den Gemüsebeeten stand die Vogelscheuche und strahlte einen solchen Hass aus, dass ich kurz ins Trudeln kam. Ihr schwarzer Mantel flatterte in einer Brise, die ich nicht spürte, und warf einen unruhigen Schatten auf Jori, die benommen zu Füßen des Monstrums lag. Einer ihrer Flügel stand in einem hässlich unnatürlichen Winkel ab. Jetzt zuckte sie und versuchte kläglich, davonzuhopsen, weil mit langen Schritten der irre Schütze auf sie zukam.
    Er hielt sein Gewehr umgekehrt in den Händen, mit dem Kolben nach oben, bereit zum Zuschlagen. Er würde Jori töten wie die beiden Krähen, die er nach meinem letzten Besuch zur Abschreckung in seine längst abgeernteten Obstbäume gehängt hatte.
    Ein wütendes Schäckäckäck entfuhr mir. Na warte, du widerlicher Mörder. Ich flog einen Schwenk und schrie Bubo in die Ohren: »Jorijorijori«. Hoffentlich kapierte der alte Lahmkauz, was er tun sollte, ich hatte keine Zeit für weitere Erklärungen.
    Ein, zwei Schrauben nach oben, um Schwung zu holen, dann schoss ich mit einem Überschallsturzflug auf das Gesicht des Irren zu. Der war anscheinend dermaßen beschäftigt mit der Vorstellung, wie er gleich den wehrlosen Habicht erschlagen würde, dass er mich erst bemerkte, als es zu spät war. Ich schlug meine Klauen so heftig in sein Gesicht, dass ich ihm mit den Flügeln die Sicht versperren und mit dem Schnabel kräftig in die Stirn hacken konnte. Nun würde der Mann kapieren, was es bedeutete, einen Vogel zu haben, ha! Er ließ das Gewehr fallen und griff mit beiden Händen nach mir. Doch auf diese Unart der Menschen war ich inzwischen gefasst. Flutsch, war ich ihm entwischt und krallte mich stattdessen in seinen Rücken, genau da, wo er mich nicht erreichen konnte. Ich sorgte dafür, dass meine scharfen, spitzen Krallen nicht nur seine Weste und sein Hemd erwischten, sondern auch ein gutes Stück Haut. Mit aller Kraft hackte ich mit dem Schnabel zu, wohin ich auch immer treffen konnte, und wünschte, ich wäre ein Kondor oder wenigstens ein Adler.
    Der Mann schrie und führte einen Affentanz auf, um mich abzuschütteln. Nebenbei sah ich, wie Bubo sich der hilflosen Jori näherte. Er hatte also verstanden. Leider war er ziemlich langsam und wirkte verwirrt. Da der Irre sich mit mir auf seinem Rücken drehte und wand, verlor ich Bubo aus den Augen. Als ich ihn das nächste Mal sah, prallte er gerade gegen den Rübenkopf der Vogelscheuche. Oder hatte sie ihn mit dem Arm geschlagen?
    Jedenfalls fiel er zu Boden und lag nun ebenfalls der verfluchten Scheuche zu Füßen. Immerhin rappelte er sich wieder auf, das heißt er war nicht bewusstlos und auch nicht so schwer verletzt wie Jori, die hechelnd, mit gesenktem Kopf und ausgebreiteten Flügeln dahockte und sich offenbar gar nicht mehr rühren konnte.
    Mein Gegner begriff nun, dass er mir auf seine lustig tanzende Art nicht beikommen konnte. Er hob sein Gewehr wieder auf und benutzte den Kolben wie eine Rückenbürste. Mir blieb nichts übrig, als loszulassen. Ich flog einen engen Kreis um seinen Kopf, froh um jede Flugstunde, die ich mit Leander verbracht hatte.
    Jetzt begann der Irre, mit dem Gewehr nach mir zu schlagen. Er schwang das Ding erst wie einen Baseball-, dann wie einen Tennisschläger. Zuerst war er unbeholfen und keine Gefahr, doch er bekam den Bogen schnell heraus und verfehlte mich einige Male nur um Haaresbreite.
    Was machte dieser träge Uhu nur? Hatte er sich endlich fertig ausgeruht? Langsam taumelte er auf seinen Eulenstelzen zu Jori herüber, als hätte er gerade erst Laufen gelernt. Aber immerhin war er in Bewegung. Nur noch einen Augenblick die gewehrwedelnde Knalltüte in Schach halten, dann konnten wir vielleicht alle entkommen.
    Oh nein! Schäckäck! Aaauiiaaauiiiaaauiiiaaa! Was machte Bubo denn jetzt? Statt sich um Jori zu kümmern, flatterte er auf und

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