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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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Gedanken, dass das eine bodenlose Gemeinheit war? Strix ist total vertrauenswürdig, und du hast ihn in Riesenschwierigkeiten gebracht. Soll ich dich dafür jetzt bewundern, oder was? Abgesehen davon, dass ich wegen meinem Rad total verzweifelt war.«
    Er machte große Augen und fuhr sich wieder durch seinen Iro, dieses Mal von vorne nach hinten, was den Hahnenkamm plättete und wesentlich unsicherer wirkte. Hatte er wirklich nicht geahnt, was er anrichtete?
    »Ich hätte es dir doch auf jeden Fall zurückgebracht. Wollte dir ehrlich nicht schaden.«
    »Du könntest die Sache nur wiedergutmachen, wenn du das alles Strix’ Eltern und der Polizei erklärst.«
    Er wurde blass. »Der Polizei? Oha! Ich meine … Muss das sein?«
    Ich verschränkte die Arme. »Vorher brauchst du dich bei mir nicht wieder blicken zu lassen.«
    »Und danach schon?«
    »Meinetwegen.«
    »Dann werde ich mal darüber nachdenken. Vorher möchte ich dich aber noch warnen. Es ist wirklich gefährlich in eurer Stadt. Seit ich hier wohne, ist schon drei Mal auf mich geschossen worden, und ich habe Krähen gefunden, die an vergiftetem Futter verendet sind. Sogar eine Vogelfalle habe ich schon gesehen, und die Leute hier bauen wie am Fließband Apparate, die uns abschrecken sollen. Vogelscheuchen und so. Wenn du mich fragst, ist das nicht normal. Es riecht nach böser Zauberei. Raben erkennen so was.«
    Trotz meiner Wut auf ihn musste ich mit ihm darüber sprechen. »Darauf bin ich auch schon gekommen. Da waren heute Leserbriefe von Leuten in der Zeitung, die Rabenvögel für das Böse schlechthin halten. Ich glaube, das hat alles etwas mit der Vogelscheuche zu tun, die Strix und ich in der Nähe vom Stadtpark auf einer Obstwiese gefunden haben. Sie lebt. Und sie ist bösartig und mächtig.«
    »Danke für den Hinweis, das werde ich mir mal genauer ansehen. Und jetzt kratze ich die Kurve, bevor der nackte Waldkauz herüberkommt und mir den Bademantel vom Leib reißt.« Er nickte mir zu und ging auf die Holundersträucher unter den alten Bäumen zu. Kurz bevor er dahinter verschwand, wandte er sich noch einmal zu mir um. »Übrigens hast du wunderschöne Augen, Elsternmädchen. Und tolle blauschwarze Schwungfedern. Du bist echt was Besonderes.«
    Obwohl ich ihn unmöglich fand, konnte ich nicht anders, als mich geschmeichelt zu fühlen. Zum Glück sank ich nicht so tief, dass ich »Danke« sagte.
    Wenig später erhob sich ein Rabe aus den Sträuchern in die Luft und flog davon. Ich holte Bubos Bademantel von der Stelle, an der Corax sich verwandelt hatte. So schnell, wie er das geschafft hatte, brauchte er eigentlich keine Tipps von mir.
    Strix’ finstere Miene war Furcht einflößend. »Was hat der Blödmann dir erzählt?«
    »Dass er die Fahrräder geklaut hat.«
    »Wie bitte? Und du lässt ihn abhauen? Ich hätte ihn zur Polizei geschleift. Warum hast du ihn nicht wenigstens ein schriftliches Geständnis unterschreiben lassen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Glaub nicht, das wäre mir nicht durch den Sinn gegangen. Aber dann habe ich mir vorgestellt, wie blöd die Polizisten gucken, wenn wir mit einem gefesselten Raben in die Wache kommen, um ihn als Dieb anzuzeigen. Nee, ich fürchte, der Rabenjunge muss das freiwillig machen.«
    »Außerdem ist er einer von uns«, meldete Jori sich zu Wort. »Es wäre falsch, ihn anzuzeigen. Stellt euch vor, ein Vogelmensch sitzt in der Zelle und muss sich verwandeln. Das gäbe eine Katastrophe.«
    Strix stieß genervt beide Hände in seine Hosentaschen. »Na toll. Also lassen wir alle Vogelmenschen mit ihren Verbrechen davonkommen? Das solltet ihr euch wirklich gut überlegen.«
    Ich konnte seinen Ärger verstehen. Wie viel Rücksicht würde ich auf das Tatanwi-Geheimnis nehmen, wenn es um ein echtes Verbrechen ging? »Was Corax getan hat, war mies. Aber auch wenn er nicht selbst zur Polizei oder zu deinen Eltern geht, werden wir sie davon überzeugen, dass du nichts mit den Diebstählen zu tun hattest. Und sonst ist ja kein Schaden entstanden. Warten wir’s also ab.«
    Bubo stieß einen Zischlaut aus, der sehr nach Uhu klang. »Anständig sah der jedenfalls nicht aus.«
    »Wie jemand aussieht, hat doch nichts damit zu tun, wie er sich benimmt. Ich glaube, er wird versuchen, es wiedergutzumachen.«
    Woher ich diesen Glauben nahm, wusste ich selber nicht.
    Einen Moment lang schwankten wir, ob wir nach Corax’ Auftritt noch weitermachen wollten. Doch da von ihm nichts mehr zu sehen war, blieben wir dran.

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