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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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konnte, blieb ich bei ihnen. Es war Bubo anzumerken, dass er es nicht gewöhnt war, solch ein Gewicht zu tragen. Auch mir fiel das Fliegen schwer. Konnte es sein, dass der verflixte Gruselgarten mich zurückzog? So langsam wie wir vorankamen, war es ein Segen, dass Leander am Ball blieb und den Irren davon abhielt, auf uns zu schießen. Erst als wir über die verwilderten Obstbäume flogen und nach einem geschützten Platz zum Landen Ausschau hielten, kamen die zwei Elstern uns nachgeflitzt. Bubo ließ sich erschöpft mit Jori auf einer kleinen Lichtung zwischen den Sträuchern nieder.
    Wo steckte Strix nur? Ich schraubte mich höher empor, und endlich entdeckte ich ihn. Er kletterte gerade mit panischer Miene über die Mauer eines Gartens, der vier Gärten von dem entfernt lag, in dem wir gewesen waren. Na, das musste er mir erklären! Mir tat alles weh, ich konnte kaum noch mit den Flügeln schlagen. Sanft sank ich daher zu ihm herab und landete auf seiner Schulter, als er gerade wieder mit beiden Füßen auf der Wiese stand.
    »Ding dang dong«, sagte ich zärtlich.
    Zu meiner Überraschung ließ er sich auf die Knie fallen, nahm mich behutsam mit beiden Händen von seiner Schulter und hielt mich gegen seine Brust. »Verdammt noch mal, Pia. Das machen wir nie wieder. Du darfst dich nicht einfach in so eine Gefahr begeben, wenn ich dir nicht folgen kann.« Er klang fast, als würde er schluchzen. »Ich konnte in keinen von diesen Gärten hinein, es war wie verhext. Und hier konnte ich zwar rein, aber nirgends wieder heraus. Und die ganze Zeit höre ich dich ›Hilfe‹ schreien. Mach so was nie wieder, verstanden?«    
    Keuchend und mich immer noch in seinen Händen haltend stand er auf und ging am Zaun entlang bis zu der Stelle, wo er unsere Klamotten abgelegt hatte. Obwohl ich es sonst hasste, von Menschen angefasst zu werden, machte es mir bei ihm nichts aus. Er hielt mich nicht fest, sondern umschloss mich mit seinen Händen, als säße ich in einem Nest. Ich ließ ein liebliches Pfeifen hören, um ihn zu beruhigen.
    »Du brauchst jetzt gar nicht zu säuseln. Wenn du dich noch mal auf die Art selbständig machst, dann stutze ich dir die Schwungfedern«, grollte er.
    Das war natürlich sogar im Spaß eine Unverschämtheit. Deshalb warf ich mal kurz die Polizeisirene an und plusterte mich ein bisschen auf. Er blickte auf mich herab und lachte, dann hob er mich auf die Höhe seines Gesichts und sah mir in die Augen. »Meine Güte, Pica. Ich könnte es einfach nicht aushalten, wenn dir etwas passiert.«
    Er ließ mich wieder auf seiner Schulter sitzen, hob unsere Klamotten auf und lief meinem Schnabel nach zwischen die Bäume zu unserem Versteck, wo Bubo und Jori bereits nackt in Menschengestalt hockten und bibberten.
    »Da seid ihr ja endlich. Guckt euch das an, er hat Jori angeschossen. Wir müssen sie zum Arzt bringen. Aber sie will nicht«, stieß Bubo hervor.
    Jori war bleich und hatte einen blutigen Strich im Gesicht. »Es ist längst nicht mehr so schlimm, wie es als Vogel war. Eigentlich ist es nur ein kleiner Kratzer.«
    Ich stieß mich von Strix’ Schulter ab und verwandelte mich so gekonnt, dass ich schon mit meinen Menschenfüßen auf dem Boden aufkam. Tatsächlich tat auch meine Brust in Menschengestalt weniger weh. Der Bluterguss war dennoch groß und dunkelviolett.
    Rasch streifte ich mir Sweatshirt und Hose über und begutachtete mit Jori zusammen ihre Wunde, während ich ihr beim Anziehen half. Das Loch, das die Gewehrkugel in ihren Oberarm geschlagen hatte, war klein, ging aber durch, sodass sie in zwei Richtungen blutete. Zum Glück waren es nur kleine Rinnsale und keine Sturzbäche. Eine wichtige Ader war also wohl nicht getroffen.
    Über uns im Geäst eines Apfelbaumes erschienen Leander und die fremde Elster. Leander ließ ein ernsthaftes »Schäckäck« hören und sprang nervös von einem Zweig zum anderen. »Hallokommrein«, sagte er und klang besorgt. Jeden Moment würde er auf meinem Kopf landen, um mich dazu zu bringen, ihm zu folgen.
    »Wir verschwinden besser von hier. Kannst du laufen, Jori?«, fragte ich.
    Ihr quollen Tränen aus den Augen, als wir ihr Unterhemd um die Wunde wickelten und ihren Sweatshirt-Ärmel darüberzogen, aber sie jammerte nicht. »Ich hatte schon schlimmere Schrammen.«
    Das hörte sich ziemlich großspurig an, doch dafür, wie sie die Zähne zusammenbiss, verdiente sie Respekt.
    Ich hatte erwartet, dass zu Hause niemand sein würde und wir erst einmal

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