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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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berührte, machte er sich los und stützte sich gegen das Gitter. Die Luft biss ihm in die Lungen, er atmete tief und langsam, konzentrierte sich nur noch auf die süße, schneidende Kälte.
    »Es ist wohl besser so«, murmelte Baltibb.

Jagu
    Als Mion klein gewesen war, hatte sie im Sommer oft auf dem Dach von Saffas Hütte geschlafen, in der er mit seinen Eltern und vier Schwestern wohnte. Sie bauten sich ein Lager aus alten Decken und Stroh, kauten gestohlene Mandeln und fühlten sich wie Königskinder. Warm wogte der Wind über sie hinweg und trug die Düfte der Wälder durch die Ruinen - Farn und Zedernholz, Harz und süße Wildblumen -, eine geisterhafte Hoffnung in einer Welt aus Stein. In diesen Nächten war niemand glücklicher als sie.
    »Saffa?«
    »Hm?«
    »Was willst du eigentlich sein, wenn du groß bist?«
    »Weiß nicht... wahrscheinlich geh ich auch in den Wald und verkauf Holz.«
    Sie schwiegen. Töpfe schepperten, und irgendwo jaulten wilde Hunde, die niemand zu töten oder aus den Ruinen zu vertreiben wagte. Saffas kleine Schwester hustete unter ihnen im Haus, sie war schon lange krank.
    »Willst du nicht wissen, was ich mal werde?«
    Saffa lachte. »Du wirst eine Frau!«
    Mion schob die Arme unter den Kopf. Wie viele Sterne es am Himmel gab! Ob da oben so viele waren wie hier unten Menschen?
    »Nein, ich werde mehr. Wenn ich groß bin, werde ich ein Bürger von Wynter. Dann werde ich Geld haben und mir einen Palast bauen, der aussieht wie von den Drachen.«
    »Wie willst du denn ein Bürger werden... das geht gar nicht.«
    »Du wirst schon sehen.«
    »Und du gehst dann für immer von hier weg?«
    »Für immer.«
    »Was ist mit deinen Eltern?«
    »Die wollen bestimmt nicht mit.«
    »Und ich?«
    Mion sah ihn an. Er warf sich drei Mandeln in den Mund und kaute laut.
    »Du kannst ja mitkommen, wenn du willst. Aber dann kannst du kein Holzfäller werden. In Wynter sind alle Leute fein.«
    »Ist gut...«
    »Kajan kann auch mitkommen. Aber er darf dann nicht mehr klauen. - Außer Mandeln vielleicht!«
    Sie drehte den Kopf und blickte in die endlose Finsternis über ihnen. Eines Tages würde sie in einem Palast stehen, ein ganz neuer Mensch, fein und elegant und erhaben, und doch zu denselben Sternen aufsehen wie jetzt. Ganz bestimmt...
     
    Die Gefängnisgebäude wuchsen an der nördlichen Stadtmauer von Wynter empor wie Pilze an einem Baumstumpf. Hier warteten Sträflinge aus den Ruinen und der Stadt auf Freiheit oder Tod - es war der einzige Ort, so hieß es, an dem Bürger und Ruinenleute gleich behandelt wurden. Mion konnte es nicht beurteilen, denn sie wurde in eine verlassene, feuchte Zelle gebracht, in der nichts war außer dem dünnen Geruch von Angstschweiß. Und noch etwas hing in der abgestandenen Luft, der Hauch von etwas Entsetzlichem. Mion roch Blut. Menschen waren hier gestorben.
    Sie kroch in eine Ecke und zog die Knie an. Wiegte sich ganz langsam. Die Panik war zurückgetreten, jetzt fehlte ihr die Kraft, um zu weinen. Nur flüchtige Erinnerungen durchschossen die Dunkelheit in ihr, Bilderfetzen und zusammenhangslose Worte wie vom Schwarm getrennte Fische.
    Sollte das alles gewesen sein?
    All die unerfüllten Sehnsüchte nach einem anderen Leben, all diese süßen, bitteren Träume starben.
    Sonderbar, dass sie immer so fest an das Glück geglaubt hatte, das sie eines Tages holen und aus den Ruinen bringen würde. Ihre ganze unbegründete Zuversicht, an die sie sich so oft geklammert hatte, war jetzt endgültig und unwiderruflich verloren. Das Schicksal hielt nichts Großes, Wundervolles für sie bereit. Wenn es überhaupt so etwas wie Schicksal gab, dann hatte es für Mion nur einen Kerker und den Tod vorgesehen.
    Jetzt kamen ihr doch wieder Tränen und sie zu spüren war beinahe tröstlich.
    Weil ich bald gar nichts mehr fühle.
    Aber davor noch der Schmerz -
    Zittern ergriff sie. Sie wollte nicht sterben! Sie hatte Angst... Es war niemandes Recht, ihr das Leben zu nehmen, es war ihres, es gehörte ihr!
    Vor zwei Jahren hatte sie gesehen, wie eine alte Frau von einer Räuberbande erstochen wurde. Mit Saffa und Kajan war sie auf einem Hausdach gewesen, gebannt von dem furchtbaren Schauspiel und zu ängstlich, um einzugreifen. Ein beunruhigender Gedanke war ihr durch den Kopf gegangen: Wenn sie überfallen worden wäre, hätten ihre Freunde ebenso tatenlos zugesehen? Das Leben in den Ruinen hatte ihnen beigebracht, zuerst an sich zu denken, aber wenn Freundschaft nicht bedeutete, sich

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