Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
Vom Netzwerk:
lächeln.
    »Ich hoffe, deine andere Hälfte ist dafür umso erwachsener«, sagte er, und eine Spur Belustigung lag in seiner Stimme. »Bist du gesund? Zeig deine Zähne.«
    Das ging zu weit. Mion wich zurück, obwohl er so unbewegt dastand, als wäre er mit den Schatten verwachsen. Sie spürte seinen Blick auf sich und hob fröstelnd die Arme vor die Brust.
    »Ich werde ehrlich zu dir sein«, sagte er gedehnt, in einem sanften, lauernden Ton, der fast so beängstigend war wie die schrecklichen Stimmen der Sphinxe. »Mein Name ist Jagu. Ich gehöre zur Gilde der Künstler von Wynter, hast du schon einmal davon gehört? Ich bin ein Maler im Dienst der Drachen. Ich bin der beste«, fügte er leise, jetzt deutlich amüsiert hinzu. »Folge mir nach Wynter und werde meine Schülerin, erlerne meine Kunst.«
    »Was?«, hauchte sie.
    »Willige ein, ehe ich es mir anders überlege.«
    »Ich... ich hab nie was gemalt!« Kurz erhaschte sie einen Blick auf sein Gesicht, als er den Kopf schüttelte - ein Gesicht mit einer schmalen Nase und spitzen Lippen und Augen in Schatten -
    »Dieses Risiko werde ich wohl eingehen.«
    Mion starrte ihn an. »Wieso?«
    Er antwortete nicht.
    »Ich verstehe nicht, was Malerei damit zu tun hätte, dass ich einen Drachen -«
    »Du musst aufpassen, was du sagst«, fuhr er dazwischen. »Du bist nicht langsam von Begriff, das ist gut. Aber du musst noch lernen, wann du diesen Vorzug zu zeigen hast... und wann du ihn besser für dich behältst. Das sei die erste Lektion, die ich dir als Meister erteile. Nimmst du an?«
    Mion blickte auf die behandschuhte Hand hinab, die er ihr hinhielt. Schließlich sagte sie kleinlaut: »Die werden mich doch nicht einfach gehen lassen.«
    »Natürlich nicht. Der Befehl lautet, dass du noch heute Nacht hingerichtet wirst. Dezent und unauffällig - niemand soll erfahren, dass es einem einfachen Ruinenmädchen gelungen ist, einem Drachen ein Leben zu nehmen.«
    Mion spürte die Kälte von ihren Füßen durch die Knie bis in die Wirbelsäule schießen. Heute Nacht noch... und dieser Jagu sprach über ihre Hinrichtung, als sei es nichts weiter! Für ihn war es das wahrscheinlich auch nicht. Er hatte ja selbst gesagt, sie war nur ein einfaches Ruinenmädchen … Aber wieso wollte er sie dann als Lehrling?
    »Das heißt, wenn ich bleibe, sterbe ich.«
    Sie fuhr zusammen, als der Fremde sie am Handgelenk fasste. Das Leder des Handschuhs fühlte sich weich an, doch der Griff war fest. Er zog sie zu sich heran, bis sie einen schwachen Tabakgeruch wahrnahm. »Die Drachen wollen deinen Tod. Und du wirst heute Nacht sterben. Aber ich kann dir ermöglichen, ein neuer Mensch zu werden... lass das Ruinenmädchen zurück. Ihre Leiche liegt bereits in den Gräben, ihr Name wurde schon von der Liste gestrichen; das hat mich ein kleines Vermögen gekostet.« Sie sah eine gerade Zahnreihe aufglänzen, nur die Eckzähne standen vor und verliehen ihm etwas Wölfisches. »Sei nicht töricht. Vielleicht bin ich es gerade, aber das soll meine Sorge sein.«
    Er hielt ihr Handgelenk noch immer umschlossen. Stockend trat sie zur Seite, bis sie sich im Türrahmen gegenüberstanden. Das Licht fiel nun auf sein Profil und sie konnte ihn erkennen.
    Er musste knapp über dreißig sein. Sein Gesicht wirkte auf eine verwirrende Art jung und alt, tragisch und spöttisch zugleich. Da war etwas Jungenhaftes, das den dunklen Schatten und den Sorgenfalten widersprach. Der Blick, der auf Mion ruhte, lag wie in Eis gefroren, still und messerscharf. Ein Lächeln malte ihm Grübchen um die Mundwinkel, dann ließ er sie los, sein Umhang streifte ihre Schulter und er ging den Kerkergang hinunter.
    Panik kribbelte in ihrer Brust. »Wartet«, japste sie. Einen Augenblick stand sie wie versteinert da - dann lief sie dem Fremden hinterher. Fast glaubte sie, unsichtbare Fesseln würden sie zurückhalten, jeder Schritt schien wie ein Wunder.
    Die Tür am Ende des Ganges wurde geöffnet, als sie näher kamen. Mions Eingeweide verkrampften sich beim Gedanken, einem Sphinx gegenübertreten zu müssen. Doch nur ein schmerbäuchiger Gefängniswärter hatte ihnen geöffnet, und als Mion mit gesenktem Kopf an ihm vorbeihastete, schaute er absichtlich in die andere Richtung.
    Wie im Traum folgte sie Jagu die runden Treppen hinab, die sie Stunden vorher hinaufgeschleift worden war. Ein Wärter und ein Henker standen am Tor, das aus der zugigen Eingangshalle auf die Straße führte. Als sie Jagu und Mion aus der Dunkelheit

Weitere Kostenlose Bücher