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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Flimmern der Hitze konnte Mion nicht erkennen, ob sie lachte oder weinte.
    Hustend richtete sie sich auf und zerrte sich das Kleid vom Leib, um auf die Flammen einzuschlagen.
    »Jagu!«, brüllte sie. Im Fauchen und Zischen hörte sie sich selbst kaum. Verzweifelt versuchte sie, die Flammen zu ersticken, sich einen Weg zum Schlafzimmer zu bahnen. Der Rauch machte sie blind.
    » Jagu !« Er schwebte noch. In seinem Zustand konnte er nicht klar denken!
    Ihr Kleid hatte Feuer gefangen. Sie ließ es los und rang nur noch nach Atem. Der Gestank brennender Haare stach ihr in der Nase. Bildete sie sich die aufgeregten Stimmen ein? Sie wusste es nicht, wusste gar nichts mehr. In ihrem Kopf war nur eins: Jagu.
    Er war verloren ohne sie.
    Dann versank auch der Gedanke an ihn in tiefe Stille.
     
    Grillenzirpen. Angenehmer, kühler Wind in den Vorhängen. Der Geruch von Gräsern, trocken wie Stroh.
    Verwirrt richtete Mion sich in ihrem Bett auf. Mondlicht fiel durch das Fenster. Alles war wie immer... dann wurde ihr bewusst, dass sie kein Nachthemd trug, sondern Unterwäsche, und dass sie nach Rauch roch. Ihre Haare waren angesengt.
    Sie versuchte zu schlucken und merkte, wie ausgedörrt ihr Hals war. Mit klammen Händen befreite sie sich aus ihrer Decke und stand auf.
    Das Haus war ruhig, aber der Geruch von verbranntem Papier durchdrang den scheinbaren Frieden. Tapsig lief Mion zum Atelier.
    Die Türen waren halb offen und das Licht einer Öllampe schwappte in den Flur. Als sie eintrat, spürte sie, dass der Boden nass war. Im einsamen Licht ließen sich rußgeschwärzte Wände und verkohlte Werkbänke erkennen; ein langes Regal war zusammengebrochen.
    Auf den Stufen zum angrenzenden Raum saß Jagu. Vor Erleichterung vergaß Mion alles andere. Eine große Decke lag über seinen Schultern, doch er schien unverletzt. Als sie neben ihn trat, zuckte er zusammen. Mit großen Augen sah er zu ihr auf, und Mion konnte nicht anders, als in ihm den Jungen zu sehen, der er einmal gewesen war.
    Sie kniete sich hin. »Wo ist Faunia?«
    Er zog die Nase hoch und blickte zu den Fenstern, durch die der Vollmond mitleidlos strahlte.
    »Sie darf nicht mehr Ritus spielen. Wir alle drei dürfen es nicht mehr«, murmelte Mion.
    Irgendwo in den Tiefen seiner Augen zuckte etwas, doch sein Gesicht blieb ausdruckslos.
    »Als ich hierhergekommen bin, dachte ich, ich werde nie wieder spielen. Und... ich wollte es wirklich nicht.« Nachdenklich erinnerte Mion sich an die Ruinen. Alles hatte überhaupt erst mit Ritus angefangen. Nur dafür hatte sie den Prinzen erschossen. Hatte sie überhaupt ein Recht auf Glück, wenn alles mit so bösen Absichten begonnen hatte?
    »Wie bist du auf Ritus gekommen?«, fragte sie.
    Jagu zuckte langsam die Schultern. »Bei meinen Nachforschungen.« Er sprach so leise, dass sie sich vorbeugen musste.
    »Eine Weile... habe ich versucht, das Geheimnis des Gestaltenwandels allein zu ergründen. Das ist lange her. Ich bin so weit gekommen, zu verstehen, dass Atem und Korpus mit bestimmten Zauberformeln gestohlen werden können, jedenfalls zeitweise. So entdeckte ich Ritus.« Wieder zuckte er die Schultern. »Weiter habe ich es nicht gebracht.«
    Sie wusste, dass die Ruinenleute es spielten, weil das Leben schlichtweg nichts Besseres zu bieten hatte. Es war eine Flucht vor der Wirklichkeit. Aber wovor wollte ein berühmter Maler fliehen, der alles hatte?
    »Ich verstehe dich nicht.« Sie wollte sein Gesicht in die Hände nehmen und ihm in die Augen blicken und ihn am liebsten schütteln. »Nach was suchst du?«
    Er drückte sich Daumen und Zeigefinger gegen die Nasenwurzel und atmete flach aus.
    »Jetzt sind es nur noch wir beide«, flüsterte er. »Du und ich gegen den Rest der Welt.«
    »Aber warum gegen den Rest der Welt? Welchen Grund hast du ?«
    Lange schwieg er, versunken in seiner eigenen Welt. Mion wusste, dass ihre Worte ihn nicht erreichten, wenn er sich so in sich selbst zurückzog. Wie so oft hatte sie das Gefühl, er sei das Kind und sie die Erwachsene, die sich um ihn kümmern musste.
    »Alle denken, meine Mutter wäre fortgegangen, als ich vierzehn war«, sagte er plötzlich. »Aber das stimmt nicht. Sie war eine einfache Frau, das ist wahr... sie war nur eine Tischlertochter. Doch sie hat mich geliebt. Sie... war einunddreißig, als sie gestorben ist. Zwei Jahre jünger als ich heute.« Er lächelte und seine Augen schimmerten. »Sie ist nicht weggelaufen... er hat sie umgebracht. Er hat einfach ihren Kopf...

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