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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Nacht zum Trocknen ans Bettende gehängt hatte. Auch Kasamé wachte auf. Sie trug ihren Köcher und Bogen, noch bevor sie ihre Stiefel gebunden hatte.
    »Hast du Hunger?«, fragte sie, ohne Baltibb anzusehen.
    »Ja«, erwiderte sie, obwohl es eigentlich nicht stimmte. Aber sie wollte Kasamé zeigen, dass sie nicht wütend auf sie war. Die Bogenschützin schien nach dem Gericht von gestern etwas anderes zu erwarten, beschämt, wie sie sich nun verhielt.
    Baltibb folgte ihr aus dem Schlafraum und eine runde Treppe hinab. Sie kamen in einen Flur. Hohe Fenster mit zerbrochenen oder gänzlich fehlenden Scheiben ließen Licht und Luft herein. Baltibb hörte Lärm und spähte im Vorbeigehen hinaus. Auf einem offenen Platz zwischen den Ruinen war eine Menschenansammlung. Schneebüffel, Pferde, Karren und große Kisten standen herum. Es wurde gefeilscht.
    »Ruinenräuber«, erklärte Kasamé, als sie Baltibbs Blick bemerkte. »Wir handeln hin und wieder mit vorbeiziehenden Karawanen. Ah, sieht so aus, als hätten sie auch Lebensmittel dabei. Wenn wir Glück haben, gibt es heute ein gutes Abendessen!«
    Baltibb runzelte nachdenklich die Stirn. »Habt ihr keine Angst, dass sie euch verraten könnten? Immerhin sind es Ruinenräuber. Die verkaufen doch alles, auch Informationen.«
    »Die Ruinenräuber wissen nicht, dass das hier Albathuris ist. Sie denken, wir wären eine Bande wie sie, die sich einfach niedergelassen hat.«
    »Und die ganzen Waffen?«
    »Die überraschen niemanden. Man kann sich schließlich nie genug schützen.«
    Die Speisehalle war ein dunkler, langer Raum mit Holzbänken. Die kunstvollen Mosaike an den Wänden waren längst zerbröckelt, nur hier und da ließ sich noch ein Fabelwesen, ein Gesicht erkennen. Baltibb fragte sich, ob die Bilder Drachen darstellten. Um eine große Feuerstelle am Ende des Raumes scharten sich müde wirkende Rebellen und aßen Haferschleim aus einem großen Kessel.
    »Hat jemand eine Schüssel für Baltibb?«, rief Kasamé laut. Irgendjemand reichte ihr eine Schale aus Holz. »Danke, Tirus.« Sie gab zwei große Kellen Haferschleim hinein und überreichte Baltibb die randvolle Schüssel. Baltibb dankte und setzte sich mit ihr an die Tafel. Sie aß die Hälfte, den Rest überließ sie Mond, der sein ungewohntes Frühstück mit einem Murren annahm.
    »Also?«, fragte Baltibb. »Was tun Rebellen so?«
    »Arbeiten. Kartoffeln und Kräuter anbauen.« Sie warf Baltibb einen eingehenden Blick zu. »Und wenn Zeit bleibt, planen wir die Revolution der Menschen.«
    Baltibb lächelte schief, obwohl sie wusste, dass Kasamé im Ernst sprach. Auch Kasamé grinste. »Ich denke, Nethustra wird mit dir sprechen wollen. Du hast noch viel zu erfahren.«
     
    Nach dem Frühstück führte Kasamé Baltibb durch Albathuris. Die gesamte Rebellenstadt war von einem Schutzwall umgeben, der Tag und Nacht bewacht wurde. An manchen Stellen war die Mauer doppelt so hoch wie anderswo, teils bestand sie nur aus Geröll und Schutt. Risse und Lücken im Wall hatte man mit spitzen Holzpflöcken ausgebessert. Es gab Ställe mit Schneebüffeln, Pferden, Hühnern und Ziegen. Auf dem großen umzäunten Platz, den sie schon gestern Nacht gesehen hatten, übten sich Krieger im Schwertkampf, Speerwurf und Bogenschießen. Der Nieselregen schien der Geschäftigkeit keinen Abbruch tun zu können.
    Zuletzt steuerte Kasamé den kleinen Turm an, vor dem zwei Wachen in einer Hütte saßen: die Bücherei. Die Männer und Kasamé grüßten sich, als sie die eisenbeschlagene Holztür aufschob.
    Ein intensiver Geruch von Leder, Papier und Holz schlug Baltibb entgegen, als sie ins dämmrige Innere traten. Die Luft war so trocken und staubig, als würden sie Sand atmen. Sie blickte auf. Eine steile, nicht sehr robust wirkende Treppe schraubte sich in die Höhe. Die Wände waren voller Bücher.
    Im Zwielicht konnte Baltibb nicht erahnen, wie viele es waren. Weiter unten herrschte undurchschaubares Chaos - Schriftrollen, Stapel vergilbter Papiere und zerfledderte Bände türmten sich, als wären die Regale kräftig durchgeschüttelt worden. Kasamé bedeutete Baltibb, ihr die Treppe hinaufzufolgen. Weit oben erklangen Schritte auf knarrendem Boden, gedämpftes Hüsteln und das Rascheln von Seiten. Irgendwo waren auch Stimmen, aber die Kugellaternen, die am Treppengeländer hingen, glommen nur schwach und verrieten die Sprechenden nicht. Schließlich trat Kasamé von der Treppe auf einen schmalen Brettersteg und führte Baltibb in einen

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