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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Man zieht einen Kreidekreis und spricht Og, Siah, Gho, Nyx .«
    Auf ein Zeichen hin stieß Faunia Mion zu Boden und zerschnitt ein Bühnenseil. Die Vorhänge fielen herab und enthüllten eine riesige Leinwand, auf der die Runen gezeichnet waren.
    »Wenn wir zur Wintersonnenwende aufmarschieren, werdet ihr es alle sehen: Ohne das Ritual sind die Drachen machtlos!«
    Alle starrten Lyrian an. Er schien es nicht zu bemerken. Sah nur Mion. Dann war er verschwunden. Erneute Ausrufe erklangen, als eine Schwalbe aus dem Saal schoss.
    »Er flieht!«
    »Jetzt ruft er die Sphinxe!«
    Eine Gildendame stieg auf ihren Stuhl und rief: »Wir müssen uns sofort trennen! Schreibt Briefe an alle Bekannten, schickt eure Dienstboten los und geht zu jedem Haus. Die Wahrheit muss sich in ganz Wynter verbreiten - solange wir die Einzigen sind, die davon wissen, schweben wir in Lebensgefahr!«
    »Sie hat recht«, stimmte man ihr zu. »Die Drachen können nicht alle Bürger von Wynter töten. Die Nachricht muss sich verbreiten!«
    Alle stürmten aus dem Saal. Jagu stand in der Menge und lächelte. Er badete in der Panik. Unaufhörlich rollten Mion Tränen aus den Augen, als versuchten sie wegzuwischen, was sie sah.
    In Windeseile leerte sich das Theater. Die tobenden Stimmen und Schritte, das Rattern der Wagen verloren sich in der Nacht. Bald waren Jagu, Faunia und Mion allein.
    Mit einem tückischen Grinsen ging Faunia an ihr vorbei und stieg von der Bühne. Jagu nahm ihr den Dolch weg.
    »Sollten wir nicht gehen, bevor die Sphinxe kommen?«, fragte Faunia so unterwürfig, dass Mion fast schlecht wurde.
    »Wir gehen nirgendwohin.« Er zog Mion am Arm hoch. Grob führte er sie eine Treppe hinauf, die in einen dunklen Steinflur mündete. Am Ende hing ein lebensgroßes Porträt von einem Jaguar. Jagu schob es zur Seite: Dahinter führte eine zweite, schmale Treppe in die Höhe. »Nun wollen wir mal sehen, wie lange die Liebe des Prinzen währt. Was meinst du? Ich gebe ihm eine halbe Stunde, bis die Sphinxe kommen.«
    Eine Tür erschien über der Treppe. Jagu machte sie auf.
    Sie betraten ein Zimmer mit einem riesigen Kronleuchter, auf dem unzählige dicke Wachskerzen klebten. Die Fenster, der Boden, die Möbel und Leinwände waren fingerdick mit Staub überzogen. Und Federn: Überall waren braune, schwarze und weiße Federn, die von Jagus Schritten aufgewirbelt wurden und durch den Raum schwebten wie Herbstlaub. In der Mitte stand ein mächtiges Himmelbett voller mottenzerfressener Decken und Seidenkissen. Die durchsichtigen Vorhänge hingen in Fetzen herab. Im Holz waren kleine Zeichen und Namen eingeritzt... Auch die Gemälde an den Wänden hatte jemand mit Sprüchen, Sätzen, ganzen Briefen vollgeschrieben. Arahil stand in großen, kantigen Buchstaben und in winzigen, fein geschwungenen Lettern, fast in Kinderschrift Arahil und Holypta .
    Jagu ließ Mion los und zerschlitzte im Vorbeigehen nachlässig mit dem Dolch ein Gemälde. Dann ließ er sich in einen Polstersessel sinken, dass Wolken von Staub aufwirbelten, bohrte die Klinge in die Armlehne und seufzte. Faunia ließ sich unschlüssig auf den Boden sinken.
    Wie versteinert sah Mion sich im Zimmer um. Die Wände schienen enger an sie heranzurücken, als ihr klar wurde, dass der Raum ein Monument des Wahnsinns war. Bilder an den Wänden waren nur halb fertig gemalt, zerkratzt, hatten Brandlöcher oder Farbkleckse. Und sie zeigten alle dieselbe Frau.
    Einmal lag sie in den Kissen, dann stand sie an einem Fenster und blickte in die Ferne. Unter Staub und Kratzspuren erkannte Mion ein dunkles Gemälde, auf dem sie einen Zepter hielt und ein prunkvolles Kleid trug... war es ein Kleid? Mion kniff die Augen zusammen. Nein, es war - es waren Flügel.
    Sie sah Jagu in die Augen und fand nichts Vertrautes mehr in ihnen. Wie graue Spiegel erwiderten sie ihren Blick.
    »Wer...« Weiter konnte sie nicht sprechen. Er hatte sie die ganze Zeit belogen. Die ganze Zeit. Und dass sie es geahnt hatte und freiwillig auf ihn hereingefallen war, machte es noch unerträglicher.
    Sie versuchte, sich zu fassen. Trotz allem wollte sie immer noch einen Sinn in seinem Verrat erkennen, eine Rechtfertigung für ihn finden. »Gehörst du zu den Rebellen von Albathuris?«
    Jagus Lächeln wurde beinahe zärtlich. »Unsinn. Fünfzehn Jahre habe ich auf den Untergang der Drachen hingearbeitet, da lasse ich mir meinen Triumph von keinen dahergelaufenen Aufrührern stehlen. Hin und wieder musste ich den Drachen ein paar

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