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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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gewesen.
    »Wie heißt du?«, fragte er leise, als gäbe es noch jemanden, der sie hier draußen hören könnte.
    »Igh... Faunia«, krächzte sie.
    »Faunia.« Plötzlich huschte ein Lächeln über sein regloses Gesicht. Oder war es ein Zähnefletschen? »Doch, du bist es! Du bist das Mädchen aus dem Wald!«
    Am liebsten hätte sie geschluchzt. Jedes Wort verließ ihren Mund unerträglich langsam und klang in ihren Ohren wie lärmender Hohn. »Hoheit, ich bin ein Malerlehrling bei Meister Jagu. Ich war nie in einem Wald.«
    Lange sah er sie an, ohne etwas zu sagen. Der warme Nachtwind strich ihm hellbraune Haare ins Gesicht. »Du kennst mich nicht?«, fragte er in einem veränderten Ton.
    »Nein, Hoheit.«
    »Du weißt nicht, wer ich bin.«
    »Hoheit... nein.«
    Wieder verfiel er in nachdenkliches Schweigen. Dann entsann er sich der Flöte, die er noch immer in der Hand hielt, und schob sie unter sein Wams. »Dass ich gespielt habe, vergisst du lieber«, murmelte er und ging ein paar Schritte zurück. Mion wusste nicht, was sie tun sollte - doch schließlich erhob sie sich und merkte aus den Augenwinkeln, dass er sie immer noch beobachtete. Steif verneigte sie sich in seine Richtung, dann wandte sie sich um und ging, nein taumelte auf den Pavillon zu. Mit jedem Schritt erwartete sie, dass ihr ein wildes Biest von hinten an den Hals sprang. Doch nur die Grillen zirpten und der fröhliche Lärm wogte aus dem Pavillon in die Dunkelheit.
    Als sie die Stufen erklommen hatte, spähte sie zurück. Die Weiden am Ufer lagen verlassen da, keine Spur mehr von dem Drachen. Mion musste sich zusammenreißen, dass ihr vor Übelkeit nicht die Beine einsackten. Starr drängte sie sich durch die Menge, sah nichts und niemanden, hörte nur das schwere, entsetzliche Pochen ihres Herzens.
    Endlich entdeckte sie in dem Meer aus Gesichtern Jagu. Sie streckte die Hände nach ihm aus und zerrte ihn wortlos von der Gildendame fort, mit der er sich unterhielt.
    »Mion - wo warst du?«
    Entschlossen schob sie ihn durch die Menge, ohne den Mund zu öffnen. Erst als sie die äußeren Treppen erreichten, blieb er stehen und drehte sie zu sich um. »Was ist passiert?«
    »Er ist hier.« Sie verschluckte sich an den Worten und gab ein trockenes Würgen von sich. Verwirrt sah Jagu auf ihre Hände herab, die sich zitternd an ihn klammerten. »Er, er, er, der Drache, er ist hier! Der -« Ein paar dicke, unbeholfene Tränen fielen ihr aus den Augen. »Ach verdammt! Der Drache, der - den - ich -«
    Nun war es Jagu, der sie die Stufen hinunterzog, weg vom Fest. »Du meinst der...?«
    »Ja«, wimmerte sie. »Ja!«
    Er packte sie. »Hat er dich gesehen?«
    Mion konnte nur nicken.
    »Hast du mit ihm gesprochen?«
    »Ja.«
    »Was hat er gesagt?«
    Sie wusste es nicht mehr. Sie hatte alles vergessen, alles lag begraben unter einer dicken Schicht Panik.
    »Was hat er gesagt?«
    »Er... hatte diese Flöte, und am Ufer... klang furchtbar. Ich hab gesagt, ich heiß Faunia.«
    Jagu starrte ihr so fest in die Augen, als versteckten sich dort die hinuntergeschluckten Worte. »Er hat dich erkannt. Du hast gesagt, du bist mein Lehrling. Und dann hat er dich gehen lassen?«
    Mion dachte nach, ob es so gewesen war. Schließlich nickte sie. »Wir müssen verschwinden, sofort. Wir müssen sofort weg hier!«
    »In Ordnung.« Wie er so ruhig bleiben konnte, war ihr ein Rätsel. Ohne ihn loszulassen - oder vielleicht war auch er es, der sie hielt -, liefen sie zu den Barken, und Jagu wies einen der Fährmänner an, sie zurück zum Palasttor zu bringen.
    Die Minuten, die sie durch die finsteren Gärten fuhren, gehörten zu den schlimmsten in Mions Leben.
     
    Als sie endlich zu Hause waren, setzte Jagu sich mit ihr an den Kamin im Salon und ließ die Köchin Tee bringen. Weder er noch Mion rührten die Tassen an. Immer wieder musste sie die Begegnung mit dem Drachen beschreiben, bis sie sich allmählich beruhigte und begriff, dass die Gefahr nicht ganz so groß gewesen war, wie sie sie empfunden hatte. Zwar hatte der Drache sie erkannt, dann aber seine Überzeugung verloren. Trotzdem - es war gut möglich, dass er im Nachhinein bereute, sie laufen gelassen zu haben.
    »Ich bin so dumm«, stöhnte Mion und vergrub das Gesicht in den Händen. »Wieso habe ich ihm gesagt, dass ich Faunia heiße? Verdammt, von allen Namen ausgerechnet der! Jetzt kann er mich ja doch finden.«
    Jagu nahm seine Tasse, obwohl der Tee inzwischen längst kalt geworden sein musste. »Du hast wie immer

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