Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)
immer noch mag, obwohl Gerard tot ist und er deswegen König?“
„ Genau das.“
„ Vielleicht denkt sie, dass er nicht weiß, dass sie Gerard auf dem Gewissen hat?“
„ Das wusste er vom ersten Tag an, denn sie hat ihm Gerards Tod angekündigt, kurz bevor er passierte. Nada hat noch versucht, Gerard zu warnen, aber da war es schon zu spät.“
Elsa betrachtete die feine Handschrift, die gar nicht zu dem großen, breiten König passte.
„ Sie hat ihm verraten, dass sie seinen Bruder umbringen wird, und er liebt sie immer noch? Warum das denn?“
„ Er glaubt eben, dass er sie versteht. So etwas gibt es.“
Das fand Elsa sehr merkwürdig.
„ Wann hat er den Namen hineingeschrieben?“
„ Kurz nachdem mir Romer das Buch gegeben hat. Ich habe Nada darum gebeten, weil ich verhindern wollte, dass das Buch in einem antolianischen Archiv verschwindet. Mit Nadas Namen darin ist es Sommerhalts Besitz und Antolia darf es nur ausleihen, nicht behalten.“
„ Dann ist es gar nicht Staatsbesitz? Wie du behauptet hast?“
„ Doch, Staatsbesitz von Sommerhalt.“
„ So ist das also“, sagte Elsa und klappte langsam das Buch zu. „Jetzt weiß ich auch, warum ich es bekommen habe. Und ich dachte schon, du möchtest mir etwas Gutes tun.“
„ Das würde mir im Traum nicht einfallen.“
Das Licht im Raum wurde goldener. Elsa fand den Gedanken schön, dass ein Mensch so beharrlich lieben konnte wie Nada. Dass Morawena nie sein Herz verlieren würde, egal, was sie tat. So etwas gab es bestimmt nur selten. Sehr selten.
„ Oh je!“, rief sie auf einmal und starrte schuldbewusst auf ihr Buch.
„ Was ist denn los?“
„ Ich hätte Nada etwas mitbringen müssen! Einen Gruß von Morawena. Aber ich habe ihn versteckt. Ich weiß gar nicht, ob ich ihn wiederfinden werde.“
„ Du hast etwas von Morawena? Für Nada?“
„ Gaiuper hat es mir gegeben, um Nada gesprächig zu machen.“
„ Wo ist es jetzt?“
„ In einem Kästchen in irgendeiner Mauer in den Zerfurchten Wiesen.“
„ Das ist kein einfacher Ort. Gleich hinter dem Tor sitzen die Möwen im Zwischenraum. Seit sie wissen, dass du hier bist, haben sie die Wachen verstärkt.“
Das hörte Elsa gar nicht gern. Genau dort musste sie am nächsten Morgen ihr Buch abliefern. Da konnte sie keine Möwen gebrauchen.
„ Aber sie sind nur im Zwischenraum?“, fragte sie. „Nicht davor?“
„ Ich wette, sie beobachten das Tor. Wir gehen zusammen hin. Du bleibst in sicherer Entfernung und sagst mir, wo ich suchen soll.“
„ Wir gehen dorthin? Jetzt?“
Er sah aus dem Fenster.
„ Wir warten besser, bis es Nacht ist.“
„ Und dann spazieren wir zwischen all den Hochzeitsgästen hindurch?“
„ Nein, wir sollten einen unterirdischen Gang nehmen. Davon gibt es hier einige. Einer führt zum Wald.“
„ Durch die Erde? Im Dunkeln?“
„ Ja, das haben unterirdische Gänge so an sich.“
Elsa gab einen Laut der Entrüstung von sich.
„ Ich gehe ganz sicher durch keinen unterirdischen Gang mit dir! Schon gar nicht bei Nacht!“
„ Wo wirst du dein Buch an Gaiuper übergeben. Hier? In diesem Zimmer?“
Elsa schüttelte den Kopf.
„ Also außerhalb der Schlossmauern?“
Sie schwieg. Er musste das nicht wissen.
„ Wann?“, fragte er. „Da draußen laufen eine Menge Leute herum. Soldaten, Möwen, Ausgleicher. Glaubst du, da wäre es klug, mit deinem Buch herumzulaufen? Oder willst du zum Treffpunkt fliegen und riskieren, dass du dich zurückverwandelst und das Buch weg ist? Du weißt, dass so etwas passieren kann, wenn du Pech hast! Ich halte es für klüger, das Schloss heute Abend auf sicherem Weg und ungesehen zu verlassen. Dann weiß niemand, wo du bist. Du zeigst mir, wo Morawenas Gruß ist, und ich zeige dir, wo du übernachten kannst.“
„ Klingt wunderbar, aber ich kann dir nun mal nicht vertrauen.“
Er gab einen leisen Stoßseufzer von sich.
„ Dass du ausgerechnet vorsichtig wirst, wenn es völlig überflüssig ist. Du weißt doch, dass ich will, dass Morawena das Buch bekommt. Sie bekommt es nur, wenn du sicher den Treffpunkt erreichst, an dem du es übergeben sollst.“
„ Das könnte aber auch eine erfundene Geschichte sein. Ein Trick.“
„ Aber du glaubst mir, dass ich dieses verdammte Kästchen von Morawena unbedingt brauche, um Nada vom Heiraten abzuhalten? Bevor ich es habe, kann dir also gar nichts passieren.“
„ Auch das könnte ein Trick sein.“
„ Du traust mir aber viele Tricks zu!“
„
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