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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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Kristjanstadt höchsten fünf Uhr abends sein konnte. Nicht spät genug für eine solche Dunkelheit.
    „ Wo bin ich hier?“, fragte sie den Mann. „Können Sie mir das sagen?“
    Er schüttelte eingeschüchtert den Kopf.
    „ Das hier“, sagte er und hob den Schädel ein wenig an, „war ein Mann, der früh gestorben ist. An einer Krankheit vermutlich.“
    Elsa wandte sich ab und betastete die Friedhofsmauer. Für eine solide Mauer, wie sie in diesen Tagen in Istland gebaut wurden, war sie viel zu weich und ausgewaschen. Hellrotes Pulver blieb an ihren Händen hängen, als sie darüber strich. Wo auch immer sie war, dies war nicht Kristjanstadt und auch nicht Istland. Wann sie die Grenze überschritten hatte und wie, das war ihr nicht klar. Sie musste im Zwischenraum gelandet sein, ohne es zu merken. Wenn sie die Zeichen nicht missdeutete, so kündeten die roten Augen des Friedhofsangestellten davon, dass Gaiuper die Verfolgung aufgenommen hatte. Er würde sie schnell einholen, nicht mal Nikodemia hatte es das letzte Mal verhindern können.
    „ Ich muss weg!“, sagte sie, drückte sich am Schubkarren vorbei und rannte in die Nacht, dorthin, wo normalerweise die leeren Gräberfelder waren, doch jetzt das ungewisse Nichts des Zwischenraums.
    „ Pass gut auf“, rief der Mann hinter ihr her, „nicht dass du in ein offenes Grab fällst!“
    Damit hatte er wohl recht. Elsa blieb stehen und erinnerte sich an das, was sie von Nikodemia gelernt hatte. Der Zwischenraum steckte voller Spalten und Abgründe. Wer da hineinfiel, war tot. Was in Elsas Fall vielleicht nicht tragisch gewesen wäre, angesichts der Situation, in der sie sich befand. Trotzdem wollte sie nicht sterben und schon gar nicht so. In Nikodemias Gegenwart hatte sie ihr Empfinden geschult. Konnte einen Hauch der unsichtbaren Löcher wahrnehmen, die den Zwischenraum so gefährlich machten. Aber eben nur einen Hauch. Vorsichtig ging sie voran, den Fuß tastend vor den anderen setzend, und das war natürlich zu langsam.
    Den Friedhofsangestellten und sein Licht ließ sie dennoch weit hinter sich. Bald konnte sie keinen Lichtschimmer mehr ausmachen, abgesehen von einem fahlen Lichtfleck am Himmel, der von einem Mond hinter Wolken zeugen mochte, aber wer wusste das schon. Wie man im Zwischenraum die Sonne aufgehen ließ, das war immer noch Nikodemias Geheimnis. Sie spielte mit dem Gedanken, ihn zu rufen, ohne zu wissen, ob das überhaupt Sinn machte, bis ihr einfiel, dass sie damit nur den Feind anlocken würde.
    Nach einer Zeit des fieberhaften, aber langsamen Vorwärtskommens, die ihr in etwa wie eine Stunde vorgekommen war, hielt sie an. Sie atmete tief durch, lauschte. Außer einem Rauschen von Wind in dürren Zweigen hörte sie nichts. Sie ärgerte sich über die verfluchten Zeichen auf ihrem Rücken. Sie hasste sie. Wenn sie aufhören würde, an diese Zeichen zu glauben, dann würden sie verschwinden. So wie das letzte Jahr in Istland. Aber wie sollte sie aufhören, an etwas zu glauben, das ihr Angst machte?
    Widerwillig ging sie weiter. Irgendwo zwischen dem vierten oder fünften Schritt wurde alles anders. Denn sie verfing sich in einem Netz oder einem riesigen Sack, so richtig war es im Dunkeln nicht auszumachen, da war jedenfalls etwas Weiches, das sie umfing und einsperrte. Den Boden zog es ihr unter den Füßen weg, sodass sie purzelte, in ihr weiches Gefängnis hinein. Es musste wohl doch ein dicht gesponnenes Netz sein, denn eine kaltfingrige Hand griff hinein und tastete nach ihrem Gesicht. Kaum dass sie es gefunden hatte, kam etwas Kaltes, Feuchtes, das auf Elsas Nase und Augen gedrückt wurde. Den Geruch kannte sie. Es roch wie das Zeug, mit dem Puja die Rosen gegen Schädlinge besprühte. Wenn man es einatmete, hatte man ein bisschen das Gefühl zu ersticken. Doch Elsa erstickte nicht, sie verlor nur das Bewusstsein.
     
    Als sie wieder zu sich kam, sah sie seltsame Dinge. Nämlich einen Raum von außen und von innen gleichzeitig. Immer noch war es Nacht, ob im Zwischenraum oder außerhalb, das wusste sie nicht. Sie sah die Umrisse einer Burg auf einem Berg. In dieser Burg leuchtete ein Fenster und zu dem konnte Elsa hineinschauen. Nur eine Kerze brannte in dem großen Raum, dessen Fenster kein Glas hatten. Überhaupt sah alles sehr mittelalterlich aus: Die Holzbänke, der Tisch, die Werkzeuge und die beiden Gestalten in langen Gewändern. Elsa erkannte Gaiuper nur an dem blassen Gesicht mit den roten Augen, das in einer großen Kapuze fast

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