Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
Vom Netzwerk:
darin lauerte, warf sie alle Türen zu und konzentrierte sich darauf, das Fenster zu finden, das Gaiuper zertrümmert hatte. Als sie es in der Höhe entdeckte, bediente sie sich ihrer Rabengestalt, um schnell hinaufzufliegen und über die Fensterbank zu klettern. Im Inneren des Raums war es sehr dunkel. Elsa nahm sich ein Herz und machte einen Satz in den Raum hinein, wobei sie wieder ein Mensch wurde, was ihr in Anbetracht der Situation am sichersten erschien.
    Der Gewohnheit halber oder weil sie sich so am wohlsten fühlte, hatte sie ein schwarzes Kleid und die schwarzen Stiefel an, die sie während ihrer Zeit bei den Rabendienern fast täglich getragen hatte. Welche Farbe passte sonst schon zu ihr, einem Raben?
    Es roch nach Blut und altem Holz. Aber Elsa entdeckte keine Toten, auch nicht, nachdem sich ihre Augen an das kaum vorhandene Licht gewöhnt hatten. Sie vernahm einen weiteren Geruch: Der Rauch von einem frischen Feuer wehte zum Fenster herein. Doch draußen war nichts zu sehen. Elsa verließ das Zimmer durch eine der Türen und lief eine hölzerne Balustrade entlang, die ein Zimmer mit dem nächsten verband und sich in Schwindel erregender Höhe über der schlichten Eingangshalle drei Stockwerke tiefer befand. Elsa nahm wieder den Brandgeruch wahr und folgte dieser Wahrnehmung. So gelangte sie in ein Eckzimmer, ein Gästeschlafzimmer vielleicht, denn es stand ein Bett darin. Aus den Fenstern konnte sie in den Hof schauen. Dort züngelten Flammen empor und es qualmte. Allem Anschein nach wurden hier Tote verbrannt. Eine Frau, vermutlich die Dienerin, die während Gaiupers Auftritt weinend in der Ecke gesessen hatte, stand neben dem Feuer und warf die Überreste eines kaputten Möbelstücks hinein. Ein Mann, der aussah wie ein Stallbursche, stand breitbeinig neben ihr und schaute in die Flammen.
    Elsa wollte aus dem Raum laufen, doch blieb, kaum dass sie sich umgedreht hatte, wie angewurzelt stehen. Jemand näherte sich über die hölzerne Balustrade, außerhalb des Zimmers. Das Holz knarrte gepeinigt unter schweren Schritten und ein flackerndes Licht warf immer größere, hellere Kreise auf den Boden. Dann erschien ein Riese in der Tür, König Nada. Er musste sich bücken, um in Elsas Zimmer hineinsehen zu können. Seine langen Locken und der Bart flackerten rostrot im Flammenlicht. Seine Augen waren weit aufgerissen.
    „ Elsa?“
    „ Ja“, antwortete sie, „ich bin hier.“
    „ Wirklich?“, fragte er mit seiner tiefen, brummenden Stimme.
    „ Ja, ich bin es“, antwortete sie „.Wo ist Anbar? Lebt er noch?“
    „ Ich glaube schon“, antwortete Nada.
    Er bückte sich noch ein wenig tiefer und durchquerte die Tür. Dann hielt er seine Lampe höher, um Elsa genau anzusehen.
    „ Du siehst unverletzt aus!“, stellte er fest.
    „ Es geht mir gut“, sagte sie.
    „ Wie kann das sein?“, fragte er. „Wir dachten … wir dachten, du wärst ein Teil von diesem Mann geworden.“
    „ Ja, ich war in ihm eingesperrt.“
    Nada schüttelte ungläubig den mächtigen Kopf.
    „ Du bist nicht tot?“
    „ Es gibt etwas in mir, das ist sehr überlebenstüchtig“, sagte Elsa. „Ich verstehe es selbst kaum. Aber dieses Etwas konnte entkommen, nachdem sich Gaiuper in seine Bestandteile aufgelöst hat. Wie geht es Morawena?“
    Nada stellte seine Lampe auf einer Truhe ab, die vorm Bett stand.
    „ Ich hoffe, ihr kann geholfen werden“, sagte er. „Anbar bringt sie zu einem Arzt. Das Zeug aus der grünen Flasche haben wir ihr lieber nicht gegeben.“
    „ Das ist gut so. Es war Gift.“
    Elsa merkte, wie eine große Erleichterung über sie kam. Mit der Erleichterung schwanden aber auch all die Kräfte, die sie bisher auf den Beinen gehalten hatten. Sie ging zum Bett und sackte hinab auf die glänzende Bettdecke. Kaum saß sie, merkte sie, dass ihr leicht übel wurde. Es mochte an den Dämpfen liegen, die sie in Feuersand eingeatmet hatte oder an ihrem leeren Magen oder dem Rauch, der zu einem halb geöffneten Fenster hereinwehte.
    „ Darf ich mich zu dir setzen?“, fragte Nada und zeigte auf das Fußende des Bettes.
    Elsa nickte und rückte ein Stück in Richtung Kopfkissen, um ihm Platz zu machen. Das Bett gab stark nach, als Nada sich setzte, und es ächzte bedenklich. Der König war einfach zu groß und zu schwer für so ein altes Möbelstück. Er schien zu groß und zu schwer zu sein für alles in dieser menschlichen Welt. Als wäre er ein Stück Berg oder Urgestein, das zu gut und zu massiv ist für

Weitere Kostenlose Bücher