Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)
hast? Sinhine oder Hoppier?“
Elsas Zustand veränderte sich schlagartig. Obwohl sie schwitzte, fror sie zugleich am ganzen Körper.
„ Was soll das heißen?“
„ Wenn du einmal begriffen hast, dass dein Dickkopf für Sinhine oder Hoppier tödliche Folgen hat, wirst du in Zukunft sicher vernünftig sein.“
„ Du würdest ihnen nichts antun! Hoppier ist Teggas Sohn!“
„ Was kümmert mich das? Auch Tegga dient dem großen Ziel. Er wird einsehen, dass es notwendig war. Aber natürlich ist dein Einwand von Belang: Ich denke, meine Wahl fällt diesmal auf Sinhine.“
Elsa drehte den Kopf herum und starrte ihn an, um herauszufinden, ob er es ernst meinte. Dabei wusste sie es schon. Sie wusste, er würde nicht davor zurückschrecken, Sinhine in dieses Zimmer zu zerren und ihr das Messer an die Kehle zu halten. Dann wäre es an Elsa, über Sinhines Schicksal zu entscheiden. So weit durfte es nicht kommen. Im Übrigen war sie auch viel zu müde für solche Aufregungen. Vielleicht war es jetzt doch an der Zeit, die lästigen Gefühle fortzuschicken.
„ Na gut“, sagte sie. „Ich komme mit.“
Nachdem Hoppier ihr an diesem Abend gute Nacht gesagt hatte, überlegte Elsa, ob es nicht doch angebracht wäre, von einer Klippe zu springen. So wie es ihr Nikodemia einmal empfohlen hatte. Aber sie hatte Zweifel, ob es klappen würde. Ob sie wirklich tödlich verletzt unten aufschlagen könnte, wenn sie es versuchte? Vermutlich würde der Reif um ihren Hals ausgerechnet dann, wenn sie fiel, seine Wirkung verlieren. Denn in so einem Moment würde sie sich ja ganz aufgegeben. Der Rabe in ihr würde auf halber Höhe die Oberhand gewinnen und sie mit seinen Flügeln davontragen. Das wäre eine Strapaze! Sich erst in den Tod stürzen und dann gezeigt bekommen, dass sie auch dafür zu unfähig war. Zumal sie ja sowieso nicht sterben wollte. Aber was dann? Ihre Schoßhunde, die jämmerlichen Gefühle, gehorchten ihr bald nicht mehr. Dieser Ort und dieses Leben waren auf Dauer zu ungemütlich für sie. Heute Abend musste Elsa ihre Gefühle gar nicht wegschicken, sie suchten freiwillig das Weite. Sie tat, was Tegga ihr beigebracht hatte, weil ihr nichts anders übrig blieb: Sie sank in ihre innere Schneelandschaft und spürte gar nichts mehr. Für alles andere war es sowieso zu spät.
KAPITEL 8
Bevor Elsa in dieser Nacht einschlafen konnte, wurde sie angewiesen, wieder aufzustehen. Es war dunkel draußen, doch der Mond schien kalt und friedlich. So fühlte sich auch Elsa. Sie hatte sich ergeben in ihr Schicksal, war gelassen und seltsam weit entfernt von allem, was um sie herum geschah. Selbst Hoppiers Aufregung beunruhigte sie kaum. Er sollte mitkommen auf Elsas ersten Beutezug und er freute sich unbändig auf das Abenteuer. Elsa sagte ihm nicht, warum Gaiuper ihn dabeihaben wollte. Sie verschwieg ihm, dass sein Leben davon abhing, ob Elsa eine brave Rabenherrin war oder nicht.
Nachdem Elsa ihr schwarzes Kleid angezogen hatte, die Stiefel, die Lederschützlinge, den Helm und ihre Waffen, da erkannte sie sich in ihrem neuen Spiegel nicht wieder. Wer war das? Sicher nicht Elsa aus Istland. Eher ein verkleideter Rabe.
„ Wir ziehen in die Schlacht!“, schrie Hoppier und sprang mit seinem viel zu großen Schwert auf Elsas Bett. „Wir ziehen in die Schlacht!“
„ Hör auf mit dem Unsinn“, sagte Elsa. „Es wird dir sowieso nicht gefallen.“
„ Warum? Ich habe keine Angst!“
„ Was soll schön daran sein, wenn sich Menschen mit mittelalterlichen Waffen gegenseitig in Stücke reißen?“
„ Mittelalterlich?“, fragte Hoppier. „Was soll das sein?“
„ Es bedeutet, dass eure Waffen altmodisch sind.“
„ Das sind sie nicht. Nicht so, wie wir sie benutzen.“
Das mochte stimmen. Elsa hatte schon ausgebildete Rabensoldaten beim Training gesehen. Sie bewegten sich so schnell, dass man kaum sah, was sie taten. Gaiuper behauptete, sie seien wesentlich gefährlicher als Menschen mit Gewehren oder ähnlich modernen Waffen. Auf Elsa traf das natürlich nicht zu. Sie war weder schnell noch sonderlich geschickt. Sie konnte nur die Übungen ausführen, die sie immer mit Sinhine machte. Die hatte sie mittlerweile so oft wiederholt, dass sie sie im Schlaf beherrschte. Aber es waren einzelne Abfolgen und wenn es darum ging, diese Abfolgen zu verknüpfen, wurde Elsas Kampfkunst grob und selbstmörderisch langsam. Trotzdem musste sie mitkommen zur Schlacht. So wie das unhandliche schwarze Banner, das nicht mal dazu
Weitere Kostenlose Bücher