Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
Vom Netzwerk:
taugte, einen Feind zu erschlagen. Wäre Elsa eine brauchbare Rabenherrin gewesen, so hätte ihre Macht das Heer mit feurigem Atem und tödlicher Kraft durchdrungen. So eine Rabenherrin war sie aber nicht, schon gar nicht heute, und das wusste Gaiuper sehr gut. Er versprach sich etwas anderes von ihr: Er hoffte, dass sie die Fähigkeit hatte, den Käfig an sich zu nehmen. Da er wahrscheinlich im Zwischenraum befestigt war, konnte sie vielleicht hinübergreifen, um ihn zu lösen.
    „ Aus dem Weg, hier komme ich!“, schrie Hoppier. „In die Knie, ihr Feiglinge!“
    Elsa hätte ihn am liebsten an die Wand geworfen. Aber nein – leer musste sie werden. Leer und frei. Vielleicht würde ihr jemand aus Versehen den Kopf abschlagen heute. Überraschend und schnell, sodass sie sich darüber keine unnötigen Gedanken machen musste. Wenslaf hatte immer solche Figuren im Laden verkauft: Figuren, denen man den Kopf abschrauben konnte. Es waren eigentlich Dosen, in denen ein rosaroter Kaugummi steckte. Kopf ab, Kaugummi raus, Kopf drauf. Es gab Frauen und Männer, aber sie verkauften sich nicht gut, denn die Kaugummis schmeckten nach Plastik und sonst nichts. Wenn man nun Wenslafs Tochter köpfte, dachte Elsa, dann würde nichts von ihr übrig bleiben, nicht einmal ein ungenießbarer Kaugummi oder eine Hülle, in der man Büroklammern aufbewahren konnte. Das war eigentlich sehr traurig.
    „ Komm!“, rief Hoppier. „Was stehst du hier noch rum! Hast du nicht gehört, dass es losgeht?“
    Sie fuhr ihm mit der Hand übers Haar, gedankenverloren, weil sie noch an Wenslafs Laden dachte, und folgte ihm auf den Flur hinaus, wo schon die Soldaten auf sie warteten. Auch Sinhine war dabei. Ihr Gesicht war ernst und stolz, aber sie sah blass aus unter ihrem Helm. Die Gruppe setzte sich in Bewegung und traf in der großen Eingangshalle auf Gaiuper und einen hageren Mann namens Kamark. Er war ein Weltenführer. Der Orden besaß fünf dieser wertvollen Männer, die nicht nur in der Lage waren, von Welt zu Welt zu gehen, sondern auch noch größere Mengen von Menschen mit sich zu nehmen. Ohne Menschen wie Kamark wären weltenübergreifende Kriege gar nicht möglich gewesen. Doch es gab sie, diese Menschen, und obwohl es in der Geschichte Versuche gegeben hatte, die Weltenführer zu jagen oder gar auszurotten, traten sie immer wieder hervor. Kamark gehörte zu jenen, die von Natur aus schmächtig und ängstlich waren und denen ihre Gabe ein bequemes Leben bescherte. Jetzt starrte er Elsa mit seinen wässrigen, blauen Augen an und fühlte sich dabei sichtlich unwohl. Er fürchtete sie und verkannte ihre wahre Natur. Gaiuper hatte im Laufe des Jahres allerlei Märchen über die furchtlose und mächtige Rabenherrin verbreitet und Kamark schien jedes einzelne davon zu glauben. Er wandte schließlich den Blick ab, wobei er kurz mit den Schultern zuckte und den Mund verzog.
    „ Gehen wir“, sagte Gaiuper.
    Die Festung der Rabendiener war über einem Tor errichtet worden. Es lag tief im Keller verborgen, in der Mitte eines Labyrinths aus dunklen Gängen. Nicht mal die Weltenführer hatten die Kenntnis, geschweige denn die Schlüssel von den Türen, die an diesen – angeblich heiligen – Ort führten. Nur Gaiuper und einige so genannte Priester kannten den Weg. Elsa betrat ihn an diesem Morgen zum allerersten Mal.
    Ein schlichter Brunnen plätscherte im innersten Raum, der das Tor umschloss. Beständig hallten die Tropfen und türkisfarbene Lampen warfen kühle Lichter an die Wände. Kamark atmete tief ein und ging mit erhobenen Händen auf die Mitte des Raums zu. Dabei gab er einen Singsang von sich und Elsa fand, dass er sich aufspielte. Dann verschwand er ganz plötzlich und das beeindruckte sie dann doch. Die Soldaten folgten ihm ins Nichts und irgendwann war auch Elsa an der Reihe. Es war überaus seltsam, in das Tor einzutreten und zu einem anderen wieder hinauszugehen in eine andere Luft und eine andere Nacht, die ungleich besser duftete als der kalte, heilige Raum im tiefsten Keller Bulgokars.
    Hier in Brisa wehte ein frischer Wind, der vom Meer herkam. Das Gras des alten Friedhofs war weich und üppig, als wäre Frühling und nicht Winter. Doch die Bäume waren kahl, so wie vor einem Jahr, als Elsa Sommerhalt verlassen hatte. Vögel sangen in dieser friedlichen Nacht, die ihrem Ende zuging. Der Morgen stand kurz bevor.
    Elsa sah, wie der Zug der schwarzen Soldaten die Straße hinabzog. Sie selbst würde mit Gaiuper geschützt in der

Weitere Kostenlose Bücher