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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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verkündete, er wisse von einem Schlüssel, der sie zum letzten Tor führen werde. Er wisse auch, wo der Schlüssel sei.
    Elsa war müde, denn sie war den ganzen Tag geritten, von einem kalten, verregneten Landstrich in den nächsten kalten, verregneten Landstrich, und ihr tat jeder Muskel weh. Sie sehnte sich nach ihrem Nachtlager und Ruhe. Stattdessen war Gaiuper in dieser aufgedrehten Stimmung, wie immer, wenn er sich in seinen bevorstehenden Sieg hineinfantasierte. Alles lief so, wie er es sich vorstellte, er war der Anführer einer riesigen, schrecklichen Streitmacht, selbst die Ganduup machten, was er wollte. Außerdem war er der Herr zweier Raben und kannte, wie er Elsa nun enthüllte, den Weg nach Kundrien. Oder zumindest einen Weg zu einem Weg nach Kundrien. Elsa versuchte, nicht allzu müde oder ungeduldig auszusehen.
    „ Und? Was ist das für ein Schlüssel?“
    „ Nur ich weiß, dass es ihn gibt. Wie er aussieht und wo er ist. Die andere Person, die das wusste, ist tot.“
    Elsa saß auf dem einzigen Sessel, den es in Gaiupers Zelt gab. Sie schaute zwischen dem Käfig und dem auf- und abschreitenden Gaiuper hindurch an die Zeltwand. Manchmal kam Gaiuper ihrem Blick in die Quere.
    „ Willst du nicht wissen, wer mir den Schlüssel geliefert hat?“
    Gaiuper war zu gut gelaunt, um sich an Elsas magerem Interesse zu stören. Er wartete ab, bis Elsa sich pflichtschuldigst erkundigte, wer der geheimnisvolle Schlüsselexperte denn sei, und antwortete dann:
    „ Ulissa.“
    Der Name genügte, um Elsa aufzuschrecken. Sie wurde ein bisschen größer in ihrem Sessel und schaute Gaiuper in die Augen.
    „ Ulissa war eine Lügnerin. Die hat dir etwas aufgebunden.“
    Gaiupers schnabeliger Mund eignete sich nicht zum Lächeln, trotzdem konnte er ihn so verziehen, dass er schadenfroh aussah.
    „ Wenn sie mit mir darüber gesprochen hätte, müsste ich sie der Lüge verdächtigen. Aber sie hat erfolglos versucht, ihr Wissen vor mir zu verbergen. Sie trug etwas bei sich, als sie starb. Ein Bündel eng beschriebener Blätter, die nur Albernheiten enthielten. Man kann über Ulissa sagen, was man will, aber albern war sie nie. Es hat mich einige Zeit gekostet, in Sommerhalt die Bücher aufzutreiben, die Ulissa zur Kodierung ihrer Notizen verwendet hat. Danach konnte ich mir ungehindert ihre Erkenntnisse aneignen.“
    Elsa beobachtete Gaiuper stumm, wie er da, seiner eigenen Größe huldigend, auf- und abmarschierte und weiter nichts sagte, da er es für angebracht hielt, dass Elsa um eine weitere Auskunft bettelte. Sie tat es aber nicht.
    „ Nicht mehr lange“, sagte er schließlich, „und ich hole mir, was einst ihr gehörte.“
    Elsa ahnte, was da kommen würde. Ulissa hätte ihre Besitztümer in allen möglichen Welten verstecken können, aber Sommerhalt war ihre Heimat und vermutlich hatte sie dort einen Winkel ausfindig gemacht, den sie für absolut sicher hielt. Den Umgekippten Eimer womöglich.
    „ Wenn ich diesen Schritt unternehme“, sagte Gaiuper, „dann beginnt der richtige Krieg. Bisher wussten Möwen und Ausgleicher nie, wo wir zuschlagen. Wenn sie Nachricht von uns erhielten, waren wir schon wieder fort. Seit zwei Jahren versuchen sie, uns zu erwischen. Uns Widerstand entgegenzusetzen. Unsere Wege zu erahnen. Aber wir verschwinden in der Vielzahl von Welten und werden nur an der Zerstörung sichtbar, die wir hinterlassen. Ulissas Schlüssel befindet sich inmitten ihrer Stellungen. Wir werden die Feinde aufschrecken müssen. Wir werden sie direkt angreifen. Bald ist es soweit. Einige Monate noch, mehr brauchen wir nicht.“
    Gaiuper hatte gesprochen. Es sah nicht so aus, als wolle er noch mehr erzählen, doch Elsa konnte sich mit diesen Andeutungen nicht zufrieden geben. Also tat sie, was ihm gefiel, und zeigte sich neugierig.
    „ Wo werden wir sie angreifen?“
    „ Das erfährst du früh genug.“
    „ Wie sieht der Schlüssel aus?“
    „ Nicht wie ein Schlüssel.“
    „ Sondern?“
    „ Wie etwas, das niemand bemerkt, selbst wenn er es direkt vor Augen hat. Sie wusste das. Ein Zufall enthüllte ihr die wahre Bedeutung des Gegenstandes. Ein Zufall, wie er nicht mehr vorkommen kann. Möwen und Ausgleicher besitzen etwas sehr Wertvolles, aber sie wissen es nicht. Du kannst jetzt gehen.“
    Um die letzte Aufforderung zu unterstreichen, nahm er ein Tuch, so wie jeden Abend, und bedeckte damit den Käfig mit dem Rabenvogel. Er tat es mit viel Bedacht. Wieder einmal fiel Elsa auf, wie vogelähnlich

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