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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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fragte sie. „Ihr wusstet doch gar nicht, dass wir kommen.“
    „ Ein paar Antolianer sind immer auf Posten in Hagl. Dass ich selbst hier bin, ist Zufall, aber kein unwahrscheinlicher. Ich bin oft hier.“
    „ Warum?“
    „ Ich erklär’s dir in einem anderen Leben. Ich höre meine Verstärkung!“
    Elsa hörte sie auch. Nun wurde sie doch panisch. Sie kannte die Geräusche, die ihre eigenen Männer machten: Das Rasseln der Waffen, die schweren Stiefel. Aber das waren nicht die Geräusche, die sich eilig näherten. Sie trat von einem Fuß auf den anderen und wurde prompt zwischen Anbars Schwert und Anbars Brust eingeklemmt. Er war entschlossen. Wenn sie jetzt noch entkommen wollte, musste sie ihn erledigen. Vermutlich konnte sie es. Sie müsste nur aus dem Kopf kriegen, wer sie war. Sie müsste aufhören, überhaupt etwas zu wollen, damit der Reif um ihren Hals seine Wirkung verlor. Aber sie hatte sich vorgenommen, es nicht zu tun. Wenn schon sterben, dann durch ein paar ehrenhafte Ausgleicher, die den Rest der Welt vom Bösen erlösen wollten. Ihre Absichten waren also die besten, doch die Angst verdunkelte zunehmend ihre Gedanken. Sie durfte, sie wollte ihrer Angst nicht nachgeben. Sie musste sie aushalten, sie ertragen und das Ende herankommenlassen. Sie wollte sich selbst treu bleiben und ihrem eigenen Tod eine Chance geben. Es war ja nur ein Übergang. Ein Ausweg aus dem ganzen Schlamassel, in dem sie steckte.
    Aber sie schaffte es nicht. Kaum sah sie den Tod kommen, waren alle guten Vorsätze dahin. Fünf Ausgleicher stürmten den Raum, zwei über die Stiege, drei über eine Geheimtür, die unter den Wandtafeln des Raums verborgen gewesen war. Sie kamen ohne viel Krach und Aufhebens, erstaunlich schnell und effektiv, gewandte Riesen, die aufeinander eingespielt waren. Mit nur einem Blick erkannte Elsa, was sie vorhatten: Vier waren dazu da, sie abzulenken, der fünfte hielt einen kurzen Pfeil in der Hand. Wie so ein Pfeil wirkte, das wusste sie. Ulissas totes Gesicht blitzte kurz in ihrer Erinnerung auf und im gleichen Moment hörten all ihre menschlichen Gedanken auf, von Bedeutung zu sein.
    Die ganze Situation veränderte sich rasend schnell, doch in ihrem Kopf blieb alles seltsam klar und deutlich. Vom ersten Anblick der Feinde bis zum Niedersausen der ersten Waffe mochten nur Sekunden vergehen, doch Elsas Innenleben wandelte sich in dieser Zwischenzeit komplett. Ihr Geist, ihr Sein kippte. Elsa aus Istland verbrannte zu einem namenlosen, rabenschwarzen Etwas, einem pulsierenden Knoten aus unendlich vielen Möglichkeiten. Da war ein scharfer Schmerz an ihrem Hals, weil die Klinge, die bisher geruht hatte, ihre Haut verletzte. Weiter kam die Klinge nicht. Etwas passierte mit Elsa, das sich wie eine Explosion anfühlte, sie aber in Wirklichkeit so klein und so schnell machte, dass sie der Klinge an ihrem Hals entwischte. Ebenso schnell wurde sie wieder groß, viel größer als sonst, und schleuderte ihren Widersacher, der sie eben noch gegen seine Brust gedrückt hatte, von sich fort. Sie hörte, wie er mit einem Krach gegen einen Holzpfosten schlug und zu Boden sackte.
    Sie hörte es, war aber schon längst mit etwas anderem beschäftigt. Denn eine Lanze flog auf sie zu, die am Ende zwei scharfe Klingen hatte, und ein Knall, der sich wie ein Pistolenschuss anhörte, veranlasste sie, wie ein Gummiball gegen die Zimmerdecke zu hüpfen und dort klebenzubleiben, als was auch immer. Das war die letzte Empfindung, an die sie sich später einigermaßen deutlich erinnern konnte. Danach verwischte alles. Sie wusste nur, dass sie von der Zimmerdecke gestürzt war, um einem Angriff, der ihr sehr blutrünstig vorgekommen war, auszuweichen. Danach war sie in wilder Verwandlungswut umhergetobt, getrieben von der zornigen Absicht, all diese lästigen Zerstörer, die von allen Richtungen auf sie eindrängten, auszuschalten.
    Sie kam erst wieder zur Besinnung, als sie die Männer, die am Boden lagen, zählte. Dem einen steckte ein giftiger Pfeil in der Stirn und er war gelb angelaufen. Einem anderen steckte die entzwei gebrochene Lanze in der Brust. Anbar, der Blondschopf, lag in einer Blutlache, ein vierter Mann krümmte sich und fiel fast in das Loch mit der Stiege hinab. Der würde so schnell nicht wieder aufstehen. Der fünfte stand vor ihr, er war verletzt und blutüberströmt und ging langsam rückwärts. Aber der sechste, der war Elsa irgendwie entgangen, und so sauste, während sie noch zählte, eine stachelige

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