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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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es?“
    „ Ein Buch.“
    „ Ein Buch!“, wiederholte Elsa entgeistert. Sie musste sich eingestehen, dass sie die ganze Zeit einen Gegenstand aus Metall im Sinn gehabt hatte. Denn aus Metall waren doch Schlüssel normalerweise.
    „ Es wurde nicht in Sommerhalt gedruckt“, fuhr Gaiuper fort, „dazu ist diese Welt viel zu rückständig. Das Buch, von dem wir sprechen, wurde vor fast fünfhundert Jahren gedruckt in einer Welt, die damals des Druckens mächtig war. Wir haben keine Ahnung, wo das gewesen ist. Doch in Anbetracht des Alters und der Herkunft des Buches ist es nicht verwunderlich, wenn nur noch eine Ausgabe davon existiert, deren Aufenthaltsort uns bekannt ist. Was nicht bedeutet, dass es nicht noch weitere Exemplare gibt, die wir allerdings nicht auftreiben können.“
    „ Ein alter Schinken also. Steht er in der Bibliothek?“
    „ Das wäre nahe liegend. Vor allem, da keiner ahnt, wie wertvoll das Buch ist. Ich werde mich darum kümmern, du durchsuchst mit deinen Leuten die persönlichen Gemächer des Königs.“
    „ Dazu muss ich wissen, wie das Buch heißt“, sagte Elsa.
    „ Bolhins Reisen“, antwortete Gaiuper und glücklicherweise schaute er dabei aus dem Fenster. Sonst hätte er gesehen, wie Elsa die Augen und den Mund aufriss. Den Mund schloss sie schnell wieder, damit ihr kein unvorsichtiger Laut entfuhr. Als sich Gaiuper von der hübschen Aussicht auf den Krieg abwendete, hatte sie sich wieder im Griff.
    „ Folge mir“, sagte er, „ich zeige dir, in welche Richtung du gehen musst. Wage es nicht, dich von deinen Leibwächtern zu trennen, auch wenn das Schloss jetzt verlassen wirkt. Sie hocken in den Spalten und Ritzen und warten nur darauf, dass wir einen unbedachten Schritt tun. Denk daran: aus jedem Winkel kann ein Feind springen, um dir den Hals umzudrehen!“
    Das klang auf schreckliche Weise vielversprechend. Aber erst mal musste Elsa darüber hinwegkommen, dass sie den wertvollen Schlüssel einmal, nein zweimal besessen und dann wieder verloren hatte. Wie konnte man nur so dumm sein? Entsprechend närrisch war nun auch ihr Auftrag: In diesem Schloss gab es kein Buch mehr, das ‚Bolhins Reisen’ hieß, es sei denn, jemand hatte es hierher zurückgetragen. Was unwahrscheinlich war. Dieser Umstand machte es für Elsa noch notwendiger, möglichst bald in das Schwert eines Feindes zu rennen, denn Gaiuper würde diesen Ort bis auf die Grundmauern abtragen, wenn er den gesuchten Schlüssel nicht fand. Wenn sie ihm aber verriet, dass sie den Schlüssel nach Brisa getragen und dort vergessen hatte, dann würde er Hagl aus Wut von der Landkarte wischen und nach Brisa weiterziehen. Die einzige Chance für Sommerhalt bestand darin, dass Gaiuper überraschend seinen Raben verlöre. Dann wären Moral und Vertrauen des Rabenheeres so stark erschüttert, dass Gaiuper zum Rückzug blasen musste. Von Elsa hing es also ab. Sie hatte vor, das Ding durchzuziehen, auch wenn ihr beim Gedanken daran, dass sie erfolgreich sein könnte, der Gleichgewichtssinn abhanden kam. Sie suchte Halt an einer Mauer und ermahnte sich, das Denken abzustellen. Nur auf den nächsten Schritt kam es an, den nächsten und den übernächsten.
    Es war merkwürdig, durch die leeren Gänge und Zimmer des Schlosses zu laufen, mit diesem Trupp von Rabenkämpfern, deren Waffen bei jedem Schritt klirrten. Je näher sie den Räumen des Königs kamen, desto wohnlicher wurden die Zimmer und Flure. Elsa und ihre Leute passten so gar nicht in die von Gaslampen erhellten Räume mit ihren dicken Wandteppichen, den samtig gepolsterten Stühlen und den hübsch geschnitzten Kommoden. Sie liefen mit ihrem schmutzigen Stiefeln über die abgetretenen Läufer, stießen Kristallvasen mit frisch geschnittenen Blumen um und stießen mit ihren Speeren in die bunten Fenster, durch die sogleich der warme Wind hereinwehte. Ein umgekippter Schemel, ein Becher, der über den Boden rollte, dies waren Anzeichen dafür, dass hier vor kurzem noch Menschen gesessen hatten, die sich eilig versteckt hatten und nun bange irgendwo abwarteten. Was für ein schöner Ort musste dies sein, wenn Frieden herrschte, was für ein herrlich sommerlicher Tag musste gestern noch in diesen Zimmern gewohnt haben. Elsa verspürte Heimweh nach den verschlafenen Tagen der istländischen Sommerferien, wenn eine Stunde träge auf die andere folgte und nichts sich bewegte außer den Insekten, die zu den Fenstern hinein- und hinausbrummten. Doch was half es? Sie musste weiter hier

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