Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)
unbequem werden, dann tut es mir leid. So, jetzt hast du es ausgestanden. Alles ist geklärt.“
„Wirklich?“, fragte sie. „Ganz bestimmt? Ich dachte schon, du willst mir beibringen, dass dich die Paradies-Strahlen erwischt haben.“
„Dann wäre ich jetzt tot“, sagte er. „Sie zerstören nach und nach alle Organe, nicht nur das eine. Aber schön, dass du es erwähnst. Es zeigt mir, dass es Morawena besser geht.“
„Ja, das tut es wohl“, erwiderte sie und war schlagartig sehr verlegen.
Es war angenehm kühl in diesem alten, von hellgrünen Schatten erfüllten Raum. Die Kühle legte sich auf ihre von Aufregung erhitzten Wangen und besänftigte sie. Sie hatte es unbedingt gewollt, jetzt war es soweit. Wenn ihr in diesem Moment nicht lauter unsinnige Dinge eingefallen wären, wäre es ganz einfach gewesen. Aber sie befürchtete auf einmal, den Mund zu voll genommen zu haben, mit all den erwähnten Entjungferungen, denn in diesem Leben war sie ahnungslos und so fühlte sie sich gerade auch. Außerdem konnte sie es nicht lassen, den Mann, den sie vor sich hatte, mit den vielfältigen Erscheinungen des Mannes zu vergleichen, mit dem sie früher einmal verheiratet gewesen war. Es lag auf der Hand, dass Anbars körperliche Vorzüge dazu geeignet waren, sämtliche Erinnerungen an seinen Vorgänger aus ihrem Hirn zu pusten, was sie in Angst und Schrecken versetzte, weil sie sich nicht vorstellen konnte, dass ihre eigenen körperlichen Vorzüge es mit denen der sicherlich vollkommenen Antolianerinnen aufnehmen könnten. Von den ganzen anderen Hochweltlerinnen ganz zu schweigen. Angeblich, wenn es stimmte, was Amandis sagte, konnte er die alle haben, riskierte aber lieber sein Leben und die Zukunft der Hochwelten, um stattdessen sie zu haben, und dem konnte sie doch unmöglich gerecht werden. Dann gab es da noch diese Geschichten von Romer über die hemmungslose Aufklärung, die in Antolia betrieben wurde, und die Liebeskultur, die Romer so empörend und widerlich fand, und jetzt wusste sie gar nicht, ob sie sich das Gleiche unter der Sache vorstellten oder etwas ganz Unterschiedliches, und wie peinlich wäre es, wenn sie mit ihren soliden, aber biederen tausendjährigen Liebeserfahrungen weit hinter dem zurückblieb, was der Durchschnittsantolianer von seiner Geliebten erwartete?
Die Verwirrung lähmte sie weitestgehend und erst nachdem sie eine ganze Zeit lang einen grünen Sonnenfleck auf einem dunkelroten Buchrücken gegenüber auf dem Schreibtisch angestarrt hatte, merkte sie, dass sie vom Auslöser all ihrer Sorgen begutachtet wurde. Irgendwann dachte er wohl, dass es jetzt genug sei und sie aus ihrer Lähmung von alleine nicht mehr erwachen werde, und griff entschlossen durch, indem er seine Hände auf ihre Taille legte und alles abküsste, was von ihrer Haut frei zugänglich war. Die Maßnahme reichte aus, um sie aus den Irrgärten ihrer Gedanken zu spülen, hinein in ein warmes, behagliches Gefühlsbad. Sie richtete es so ein, dass sein Mund unterwegs bei ihrem Mund vorbeikam und dort so schnell nicht mehr wegwollte. Nachdem sich ihre Gedanken erst mal pulverisiert und unterhalb ihres Bauchnabels angesiedelt hatten, stürzte sie sich in diesen Kuss, der nach und nach alles mit einbezog, was oberhalb und unterhalb ihrer Haut existierte. Es war erstaunlich einfach, einander zu lieben. Den komplizierten Tauschhandel aus Geben und Nehmen, den die istländischen Frauenzeitschriften predigten, konnte Elsa getrost vergessen. In diesem Fall war es ein Nehmen beiderseits, ein höfliches, liebendes, verschlingendes, komplettes und herbeigesehntes Nehmen und Genommenwerden, das sich mal heftig, mal langsam ereignete und den besten Zeitvertreib darstellte, den Elsa sich vorstellen konnte. Dass sie es in diesem Leben das erste Mal tat, merkte sie wohl, aber falls dieser Umstand überhaupt eine Einschränkung darstellte, so wurde diese mehr als aufgewogen. Denn in all ihren Leben hatte sie es noch nie so genossen. Es sprach vieles für die hemmungslose, verdorbene Aufklärungskultur Antolias, das würde sie Romer sagen, wenn sie ihn mal wiedersah, aber vermutlich lag es gar nicht an der, dass sie so unpeinlich und innig zusammenkamen, sondern an dem wundersamen Gleichklang ihrer Seelen. Falls man es so nennen wollte.
Urslina hatte sich mal sehr lobend über ihren Freund Piotr geäußert. Er habe eine sehr angenehme Art zu essen und sie könne ihm stundenlang dabei zusehen. Selbst wenn sie ihm sein Lieblingsgericht
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